Amazonen einer Grossstadt

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Kampf um jeden Preis: Kampfsportlerin Maryna aus der Ukraine will sich im Ring und im Leben durchsetzen. (prosafilm)



Frauen an der «Front»


Sie suchen ihr Heil im Kämpfen, versuchen sich im wörtlichen wie übertragenen Sinn durchzuboxen. Sie sind als Kriegerinnen aus der griechischen Mythologie bekannt: die Amazonen. Die Innerschweizerin Thaïs Odermatt (40) nahm es Wunder, wie moderne Amazonen heute leben, wirken, kämpfen. Sie selbst erinnert sich an ihre Kindheit: «In meiner Fantasie war ich oft eine Kriegerin, die gegen Ungerechtigkeit kämpfte. Eine undefinierbare Wut blieb.» Wie äussert sich die Wut von Frauen heute, woher rührt sie, wie wird sie kanalisiert oder kompensiert?

Zilan hat als kurdische Guerilla gekämpft, lebt jetzt als alleinerziehende Mutter in Berlin. Sarah ist als DJ Fucking Sara aktiv und behauptet sich in der Berliner Szene. Maryna Ivashko stammt aus der Ukraine und hat drei Ziele: 1. Beendigung ihres Studiums, 2. Teilnahme an der EM in der Kampfsportart MMA (Mixed Martial Art) und 3. Glücklichsein. Jede sucht auf ihre Art ihr Glück und kämpft für Anerkennung, Respekt und gegen Vorurteile. «Du musst dreimal so gut sein und viermal mehr kämpfen als Frau», hat Sara erkannt und hat Erfolg.

Der Dokumentarfilm der in Stans geborenen Thaïs Odermatt, die auch ihre eigene Geschichte einfliessen lässt (mit alten Aufnahmen ihrer Eltern), rückt zwar die drei beschriebenen Grossstadt-«Amazonen» in den Mittelpunkt, reflektiert aber auch über Feminismus und Aktivistinnen. Man erlebt beispielsweise die Menschenrechtlerin Irmela Mensah-Schramm, wie sie in mühsamer Handarbeit Nazi-Parolen und rechtsradikale Schmierereien entfernt. Gegen Schluss kommt Uta Melle ins Spiel, die Frauen Bücher gewidmet hat, die Brüste verloren haben. Melle dokumentiert ihre Schönheit im Amazonen-Projekt. Dieser Bezug mag auch damit zusammenhängen, dass Amazonen in antiken Sagen, eine Brust entfernt haben sollen, um den Bogen besser handhaben zu können.

Odermatts Arbeit «Amazonen einer Grossstadt» bietet ein feministisches Kaleidoskop, bisweilen etwas sprunghaft, galoppartig und willkürlich im Schnitt. Der Film dokumentiert Kampfgeist und gibt Frauen eine Stimme, die einen eigenen Weg gehen, gehen müssen. Es bleibt unbestimmt, welches Ziel die Protagonistinnen erreichen. Odermatts Frauenfilm wurde mit dem Schweizer Filmpreis Quartz als bester Abschlussfilm ausgezeichnet.


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Schweiz 2020    
65 Minuten

Buch und Regie: Thaïs Odermatt
Kamera: Carlos Isabel García

Mitwirkende: Maryna Ivashko, DJ Fucking Sara, Zilan, Uta Melles, Irma Mensah-Schramm


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