Alle die du bist

2024_06_03_Alle die du bist_007jpgZerrissen: Nadine (Aenne Schwarz) sucht den Paul (Carlo Ljubek), den sie einst geliebt hat. (Prosa Film/Cineworx)



Irrungen und Wirrungen


Liebe kann verstörend, verloren, vergangen sein und auferstehen, kann zu Irrungen und Wirrungen führen. Davon erzählt der sperrige Liebesfilm von Michael Fetter Nathansky.
Nadine (Aenne Schwarz) arbeitet als Fabrikarbeiterin im Braunkohlerevier zwischen Köln und Leverkusen und lebt mit Paul (Carlo Ljubek) zusammen. Wir erleben, wie Paul an seinem neuen Arbeitsplatz ausrastet, sich abschottet und sich nur durch Nadine beruhigen lässt. Wir sehen, wie Nadine einen Ochsen (Paul) besänftigt, ein andermal, wie sie mit einem Knaben kuschelt oder sich an einen Mann lehnt – allesamt Paul-Abbilder.

So kann man Nadines Empfindungen und Reflexionen nachvollziehen. Schritt um Schritt, Rückblende um Rückblende erklärt sich eine Liebe, die sich nach sieben Jahren «abgenutzt» hat. Man/frau ist sich fremd geworden. Sie ist verunsichert, versucht, sich über ihre Gefühle klar zu werden, erlebt Paul eben in vielerlei Gestalt.
Michael Fetter Nathansky, mit der Kölner Region gut vertraut, entfaltet in seinem Spielfilm eine Liebesgeschichte, die anfangs schwer zu durchschauen ist. Paul wird als labile multiple Persönlichkeit wahrgenommen, überfordert und haltlos – in den Augen Nadines. In ihm spiegeln sich ihre Zweifel, Unsicherheiten, Ängste, Sehnsüchte wider. Aber wo steht Nadine, wie sieht sie sich selbst?

Nathanskys Liebes- und Beziehungsdrama ist zugleich eine «Milieustudie», angesiedelt in der Region Köln–Leverkusen. Da ist kein Platz für Romantik oder Rührseligkeit. Hier kämpft jeder ums Überleben.
Der Filmer bringt seine Intention auf den Punkt: «Mich hat das Umfeld interessiert, das Nadines tiefste Gefühlsentwicklungen atmosphärisch spiegeln kann, aber gleichzeitig auch in ihre Realität und ihre Geschichte eingreift. An ihrem Arbeitsplatz wird alles in Frage gestellt, und diese Ungewissheit hat schliesslich auch Folgen für ihre Selbstverständnis als Liebende.»

Diese gelebte und gefühlte, komplexe Zweisamkeit, mal spielerisch, mal provozierend ausgetragen, bleibt widersprüchlich und letztlich ungelöst. Das facettenreiche Gefühlspanoptikum wirkt sperrig, porös – trotz grossartiger schauspielerischer Leistung von Aenne Schwarz und Carlo Ljubek.


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Deutschland 2024    
108 Minuten

Buch und Regie: Michael Fetter Nathansky
Kamera: Jan Mayntz

Ensemble: Aenne Schwarz, Carlo Ljubek, Youness Aabbaz, Sara Fazilat, Jule Nebel-Linnenbaum


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