3 Tage in Quiberon

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Augenblicke der Wahrheit; Romy Schneider (Marie Bäumer) in der Bretagne mit Freundin Hilde (Birgit Minichmayr, Bild oben, Look Now!).




Ein Star zwischen Himmel und Hölle


Sie war und ist eine Ikone des Kinos. Als «Sissi» wurde sie in Deutschland zum verkitschten Popstar der Leinwand idealisiert (und später verteufelt), in Frankreich als Romy Schneider als hochgeschätzten Schauspielerin gefeiert. Mit dem Image der österreichischen Kaiserin kämpfte sie ein Leben lang und wurde in Deutschland geächtet, weil sie sich vom «Sissi»-Ballast befreien wollte und nach Frankreich ging. Im Frühjahr 1981 gab sie dem Drängen der deutschen Medien nach und dem «Stern»-Magazin ein Interview. Was niemand dazumal wusste: Es war das letzte deutschsprachige Interview in ihrem Leben, am 29. Mai 1982 starb Romy Schneider an Herzversagen. Während ihres Erholungsaufenthalts (Entziehung) in einem bretonischen Kurhotel empfing der Weltstar den «Stern»-Reporter Michael Jürgs und den mit ihr befreundeten Fotografen Robert Lebeck. Auf diese «3 Tage in Quiberon» konzentriert sich der Schwarzweissfilm von Emily Atef. Die 42-jährige Romy Schneider steckte in einer Lebenskrise («Ich mache mir Angst»), betäubte sich mit Alkohol und rauchte wie ein Schlot. Gleichwohl wollte sie reinen Tisch machen mit Deutschland und den Medien, die sie als «Flüchtling» stigmatisierten, als Sinnbild von Affären, als Opfer der Männer und Drogen sahen. Ungeschminkt und schonungslos offen antwortete der Star («nicht in Bestform», wie der «Stern» meinte) auf die teils provokativen Fragen des «Stern»-Journalisten: «Weiterleben oder weiter durchdrehen.» Ihre österreichische Freundin Hilde (Birgit Minichmayr), die sie zur «Verstärkung» eingeladen hatte, konnte nur bedingt Hilfe leisten. Am Ende will Hilde verletzt und resigniert abreisen. Auch der gutmütige Fotograf Robert «Lebo» Lebeck (Charly Hübner), Freund bis zum Einschlafen, sieht dem journalistischen Treiben etwas hilflos zu. Michael Jürgs (Robert Gwisdek) ist kaum zu bremsen, er will sein Interview, seine Story und Schlagzeile: «Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heisse Romy Schneider.» Nur allmählich nimmt er den leidenden Menschen Romy wirklich wahr und verspricht saubere journalistische Arbeit (mit Gegenlesen).

Vor allem Fernsehzuschauer wissen um die frappante Ähnlichkeit der Schauspielerin Marie Bäumer («Das Adlon», «Brief an mein Leben»), die übrigens ihre Ausbildung in Dimitris Academia Teatro im Tessin begann. Beiden, Regisseurin und Autorin Atef wie auch Bäumer, war von Anfang klar, dass sie kein Biopic der tragischen Schauspielerin schaffen, sondern eine prägnante Lebenssituation beschreiben wollten, wie in einem Brennglas quasi, in dem sich Himmel und Hölle eines Künstlerschicksals wiederspiegelten. In Romy Schneider trafen Lust und Last des Lebens aufeinander, Hingabe und Aufgabe. Dieser intime Spielfilm, der ohne Dokumentarfilmschnipsel auskommt, inspiriert von Lebecks (1919–2014) Bildern und eingefangen von Kameramann Thomas Kiennast, ist nicht nur eine meisterhafte Momentaufnahme, sondern auch ein Drama über die unversöhnlichen Gegensätze von Privatleben und Öffentlichkeit (Medien), Einsamkeit und Image.

Sie wollte einen Zustand erlebbar machen, erklärt Emily Atef, die Filmerin, Tochter Französisch-iranischer Eltern in Berlin geboren, in Deutschland wie auch in Frankreich heimisch geworden. «Mein Film ist nicht auf den Star Romy Schneider fixiert, sondern zeigt einen Menschen in einer Lebenskrise, der für einen Moment zu sich selber findet.» Und dazu hat Marie Bäumer einen entscheidenden Anteil: Sie wird zum Spiegelbild, nicht zum Mythos, oder Legende, sondern zum Menschen Romy Schneider – für drei Tage. Das Porträt, verdichtet auf diese Tage in Quiberon, wurde siebenmal mit dem Deutschen Filmpreis «Lola» ausgezeichnet.


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Deutschland 2018
115 Minuten

Regie und Buch: Emily Atef
Kamera: Thomas Kiennast

Darsteller: Marie Bäumer, Birgit Minichmayr, Charly Hübner, Robert Gwisdek


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