
Gefangen: Nisha (Maria Mozhdah) zerreibt sich zwischen zwei Kulturen und ist familiärer Willkür ausgesetzt. (Praesens Film)
Gefangen zwischen Familie und Freiheit
Man kann sich gut vorstellen, dass dieses Schicksal kein Einzelfall ist – heute. Die 15-jährige Nisha (Maria Mazhdah) sitzt in einer Zwickmühle: Einerseits spielt sie die Mustertochter einer pakistanischen Familie, streng konservativ und bestimmend. Andererseits lebt sie normal als norwegischer Teenager – ausser Haus. Doch als ihr Vater sie beim Kuscheln mit einem nichtpakistanischen Norweger erwischt, ist es um ihre kleine Freiheit geschehen. Nisha wird von ihrem Vater (Adil Hussain) «entführt» und im fernen Pakistan bei Verwandten platziert. Gefangen in alten Traditionen. Ein Fluchtversuch schlägt fehl, und als sie nachts auf der Gasse einen Cousin küsst, von Sittenpolizisten genötigt und blossgestellt wird, wollen die Verwandten von diesem «amoralischen» Teenager nichts mehr wissen, Nishas Vater muss sie heimholen. Dabei kommt es zu einer fast unerträglichen Szene: Er versucht seine Tochter auf einem Felsvorsprung zum Selbstmord zu animieren.
Der Filmtitel «What Will People Say» ist fast schon programmatisch. Ja, was werden pakistanische Verwandte, Bekannte sagen, denken, wie werden sie sich verhalten, wenn eine Tochter ausschert, «Tabus» bricht, ihren eigenen Weg sucht. Die pakistanisch-norwegischen Regisseurin Iram Haq hat in ihrem einfühlsamen Drama eigene Erlebnisse verarbeitet, auch sie wurde von ihren Eltern gezwungen, anderthalb Jahre in Pakistan zu leben. Ihr Film beschreibt das Dilemma eines Kultur-Crashes, vor allem aber einen Selbstfindungs-, Befreiungsversuch und den Ablösungsprozesses eines Teenagers. Ein nachhaltiges Drama, bei dem das letzte Bild nachklingt: Der Vater steht hinter dem Fenster und lässt los. Auch er hat eine Entwicklung genommen.

Norwegen/Deutschland 2017
106 Minuten
Regie und Buch: Iram Haq
Kamera: Nadim Carlsen
Darsteller: Maria Mozhdah, Adil Hussain, Ekavali Khanna, Rohit Saraf
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