Utama

2022_07_04_Utama_002jpgDie Endlichkeit: Virginio (José Calcina) ist wortkarg und genügsam. Seinen sterbenskranken Zustand verheimlicht er seiner Frau Sisa (Luisa Quispe). (Trigon-Film)

 
 

Der Kondor schwächelt

 
Der Himmel ist weit, die Landschaft offen bis zum Horizont, wo sich Berge auftürmen: die Anden und das Hochland von Bolivien. Ein Mann, wie verloren, zieht mit seiner Lamaherde über karge Böden und Steine. Das Wasser ist knapp geworden. Es hat bald ein Jahr lang nicht mehr geregnet. Der Dorfbrunnen ist versiegt. Wasser bringt nur ein Flüsschen im Dorf.
 
Der Hirte Virginio (José Calcina) und seine Frau Sisa (Luisa Quispe) fristen ein genügsames Leben ohne Zukunft – klaglos ergeben. Sie sind alt geworden, doch ihr Liebe ist nicht erloschen, auch wenn der Ton harsch und brüsk ist. Der alte Virginio quält sich mit einem schlimmen Husten. Er weiss, dass sein Leben zu Ende geht, doch das verheimlicht er sowohl seinem Enkel Clever (Santos Choque) als auch seiner duldsamen Frau. Der Enkel auf Besuch möchte, dass seine Grosseltern die Zeichen der Zeit erkennen und mit ihm in die Stadt ziehen. Doch Virginio widersetzt sich beharrlich. Er will bis zum Ende bleiben, fühlt sich wie ein Kondor, der schwächelt und sich zum Sterben in die Berge zurückzieht will. Der alte Mann verweigert sich der Moderne und einer möglichen Lebensverlängerung.
 
Alejandro Loayza Gris, in La Paz 1985 geboren, beschreibt in seinem ersten Spielfilm «Utama» (Unser Zuhause) ein Leben zwischen Gestern und Heute, Selbstgenügsamkeit und Aussichtslosigkeit. Die Klimawandlung ist dabei ebenso ein Thema wie Landverödung und Landflucht, Resignation und eine gefährdete Zukunft. Die Bilder sind karg wie die Sprache. Man spürt die flirrende Hitze, die Trockenheit. Die alteingesessenen Bewohne versuchen mit alten Ritualen (Lamaopfer) den Regen herbeizuschwören auf über 3000 Meter, Relikt einer Quechua-Kultur, die nur noch von den Alten getragen wird. Und die beiden alten Hauptfiguren sind authentisch. Regisseur Grisi hat lange gesucht und Überzeugungskraft bewiesen, bis die Laien José Calcina und Luisa Quispe, die auch im realen Leben ein Paar sind, zusagten.

Der Spielfilm, der wie eine Dokumentation wirkt, ist eine Parabel für Verödung der Natur, für eine unwirtliche geschädigte Welt, aber auch eine Liebesfilm, der sich in stille Gesten und leisen Tönen äussert. «Utama» wurde mit dem Grossen Preis der Jury am Sundance Film Festival ausgezeichnet und war Gewinner am Transilvania International Filmfestival in Cluji (Siebenbürgen), Rumänien.
 

 5_Star_Lionjpg

Bolivien  2022    
87  Minuten

Buch und Regie: Alejandro Loayza Grisi
Kamera: Bárbara Álvarez
Mitwirkende: José Calcina, Luisa Quispe, Santos Choque


Zurück