Tatami

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Bedroht: Die iranische Judoka Leila (Arienne Mandi, links) und ihre Trainerin Maryam (Zar Amir) sollen sich von den WM-Kämpfen in Tiflis zurückziehen, fordern Regierungsfunktionäre. (Praesens-Film)



Die Stirn bieten


So oft und laut Verbands- und Vereinsmanager posaunen und wünschen, dass sich die Politik nicht in den Sport einmischen soll, dass Sportstätten kein Forum für Politbotschaften seien, sieht die Wirklichkeit doch anders aus. Funktionäre und Staatsvertreter wollen sehr wohl ideologische Statements platzieren und nationale Order durchsetzen – wie auch Sportler, die protestieren oder nationalistische Zeichen markieren. Weder Weltmeisterschaften, Olympische Spiele oder andere Veranstaltungen sind davon gefeit. Ein Beispiel greift der Spielfilm «Tatami» von Zar Amir Ebrahimi und Guy Nattive auf.

Die Judo-Weltmeisterschaften in Tiflis, Georgien, stehen an. Die Iranerin Leila (Arienne Mandi) ist eine heisse Titelanwärterin, talentiert, ehrgeizig, beseelt von ihrem Sport. Zusammen mit ihrer Trainerin Maryam (Zar Amir) bildet sie ein erfolgreiches Team. Eventuell zu erfolgreich, fürchtet das Regime in Teheran, denn in der Endphase der WM-Wettkämpfe könnte sie auf die Israelin Shani Lavie (Lir Katz), der amtierenden Weltmeisterin, treffen und vielleicht verlieren. Das kann, das darf aus staatlicher Sicht nicht sein: Eine Niederlage gegen den Erzfeind Israel! Also drängen iranische Beobachter und Funktionäre die Trainerin, Leila aus dem Wettbewerb zu nehmen. Doch die Judoka mit Titelaussichten weigert sich – widersteht dem massiven Druck der Manager und Regimebeauftragten.

«Tatami» haben Zar Amir Ebrahimi und Guy Nattiv, der neben Elham Erfani das Drehbuch verfasste, ihren Polit-Sportthriller genannt. Gemeint ist damit die Matte aus Reisstroh, auf der Judo-Kämpfe ausgetragen werden. Eine düstere Szene in Tiflis, verstärkt durch die schwarzweissen Bilder Todd Martins, in der sich Sportler, Funktionäre, Manager und Medienleute bewegen. Die dunklen Ecken und Räume ausserhalb der Wettkampfarena wirken bedrohlich. Hier lauern Funktionäre der Trainerin auf, bedrängen sie, stellen ein Ultimatum: Sie soll die Spitzensportler Leila dazu bringen, sich von den Wettkämpfen zurückzuziehen. Andersfalls hätte das Folgen – auch bei Angehörigen daheim im Iran.

Der israelische Regisseur Guy Nattiv hat diesen «politischen Schaukampf» zusammen mit der Iranerin Zar Amir Ebrahimi inszeniert (ihr Regiedebüt). Sie selbst hat die Rolle der Trainerin übernommen. Tatsächlich hat sich ein ähnlicher Vorfall 2018 in Tokio ereignet. Der Iraner Saeid Mollaei sollte beim Wettkampf eine Verletzung vortäuschen und ausscheiden, um nicht gegen einen Israeli kämpfen zu müssen. Er trat dennoch an.

Nattiv wollte mit diesem Film Respekt vor der Sportart und Menschen zollen, die sich den Befehlen eines totalitären Staats verweigern, wie man es zur Genüge aus der Geschichte kennt– von Hitler und den Nazis bis zum heutigen Iran und anderen Diktaturen. Die Boxerin Arienne Mandi spielte die Judoka Leila und trainierte sechs Monate lang. Gegnerinnen im Film waren echte Weltmeisterinnen, gedreht wurde in Tiflis.
«Titami» ist Polit- und Psychothriller zugleich, sehr realistisch, zeitgemäss und packend.

   
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Georgien/Iran 2023  
104 Minuten

Regie: Zar Amir Ebrahimi, Guy Nattiv
Drehbuch: Nattiv, Elham Erfani
Kamera: Todd Martin

Ensemble: Arienne Mandi, Zar Amir, Ebrahami, Jaime Ray Newman, Nadine Marshall, Lir Katz, Elham Erfani


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