Die Slapstickstars in ihrem Studioelement: Der smarte Komiker Stan (Steve Coogan, rechts) und der Tollpatsch Ollie (John C. Reilly) streben ein Comeback auf der Bühne an, währenddessen ihre Frauen (Nina Arianda und Shirley Henderson) zicken. (Impuls Pictures)
Mit Schalk, Charme und Melone
durch Dick und Doof
Sie sind aus der frühen Filmgeschichte nicht wegzudenken: Im deutschsprachigen Raum als Dick & Doof. Die Slapstick-Helden Stan & Ollie haben vor allem in der Stummfilmzeit, dann bis in die Fünfzigerjahre die Leinwände belebt, das Publikum erheitert und begeistert. Nun sind sie auferstanden im Kino. Steve Coogan als smarter Stan Laurel und John C. Reilly als gemütliches Übergewicht Oliver «Ollie» Hardy haben ihnen neuen alten Geist eingehaucht. Sie waren Stars der Stummfilmzeit in Hollywood. Der Film «The Music Box» (1932) erhielt einen Oscar. Im Gegensatz zu vielen anderen schafften Stan Laurel und Oliver Hardy erfolgreich den Sprung zum Tonfilm. Bis 1940 standen die beiden Ur-Komiker bei Produzent Hal Roach unter Vertrag. Die Nachfrage nach Kurzfilmen liess nach, und Roach setzte die beiden in abendfüllenden Filme wie «Die Wüstensöhne» (Sons oft he Desert, 1933), «Zwei ritten nach Texas» (Way Out West, 1937), «Auf hoher See«» (Saps At Sea, 1940) oder «Dick und Doof die Schrecken der Kompanie«» (Great Guns, 1941) ein. Nach der Ära Roach entstanden acht weitere Spielfilme, doch da war der Zenit bereits überschritten, der Erfolg ebbte ab. Der letzte Film des grandiosen Slapstick-Duos hiess «Dick und Doof erben eine Insel» (Atoll K, 1951). Bei über 100 Filmen wirkten Stan Laurel, der britische Schlacks, und Oliver Hardy, das amerikanische Trampel, mit – eine geniale Partnerschaft. Erst nach ihrem Tod (+ 1957 Hardy, Laurel, + 1965) machten «Dick & Doof» Fernsehkarriere in den Siebzigerjahren. Theo Lingen moderierte dazumal die ZDF-Serie «Lachen Sie mit Stan und Ollie».
Jetzt sind «Stan & Ollie» wieder neu im Kino, dank Regisseur Jon S. Baird, dank der beiden Hauptdarsteller Steve Coogan (Stan) und John C. Reilly (Ollie). Der Spielfilm setzt mit einer grandiosen Szene zur Westernklamotte «Way Out West» im Jahr 1937 ein, mit dem berühmten Tänzchen des ungleichen Paars mit Melone. Die beiden stritten sich mit Studioboss Hal Roach (Danny Huston, Sohn des Regisseurs John Huston), fühlten sich ausgenutzt, gegängelt. Sie wollten die Filmfäden selber in die Hand nehmen.
Ein Sprung in die Fünfzigerjahre, die grosse Kinozeit ist vorbei: Stan und Ollie blödeln für Werbespots, mühen sich als Clown mit Melone auf Bühnen in Grossbritannien ab, wollen ein Comeback ankurbeln. Der windige Manager Bernard Delfont (Rufus Jones) ist nicht gerade ein grosses Licht, verspricht mehr, als er halten kann. Es ist eine triste Tour, die erst in London zum erfolgreichen Revival wird, als die beiden die Promotion selber in die Hand nehmen. Doch es dämmert, die Zeit läuft ab. Der mollige Ollie ist gesundheitlich angeschlagen, und Stans Filmträume zerplatzen.
Bairds Hommage an das grosse Slapstick-Pärchen konzentriert sich überwiegend auf die letzten Jahre, wird zum langen Abschied und wehmütigen Rückblick. Eine gelebte Tragikomödie. Es ist ein Filmwerk über menschliche Reibungen, Verbundenheit und Vertrautheit, über bewegte Komik und grandiose Performance. Dass nebenbei die Ehefrauen (Nina Arianda und Shirley Henderson) der beiden Blödelstars einen kleine Zickenkrieg führen, rundet das Schlussbild der zwei Mimen ab, die auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind, sich zofften, neckten, letztlich liebten und den Eindruck eines alten Ehepaars machten.
Steve Coogan (Stan) und John C. Reilly (Ollie), der kürzlich erst in «The Sisters Brothers» einen Bravourritt absolvierte, verkörpern das Paar nicht nur phänomenal vom Augenaufschlag bis zum breiten Grinsen, sondern hauchen ihm auch Seele ein. Eine rührende Reminiszenz – melancholisch, herzhaft humorig und nachdrücklich. Der Film mag altmodisch erscheinen, aber das ist auch seine Stärke: Dick und Doof hätte diese komische, aber auch wehmütige Performance gefallen!
Grossbritannien/USA 2018
98 Minuten
Regie: Jon S.Baird
Drehbuch: Jeff Pope
Kamera: Laurie Rose
Darsteller: Steve Coogan, John C. Reilly, Nina Arianda, Shirley Henderson, Danny Huston, Rufus Jones
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