Shadow Thieves

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Bilder, Abbilder, Geschichten: Die Profifotografen erleben eine totalen technischen Umbruch, orientieren und spezialisieren sich neu – auf Menschen, Landschaften, Themen. (DCM Film Distribution)



Über die Linse hinaus


Fotografie ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Jeder zückt heutzutage Smartphone oder Kamera, um sich und andere, Konzerte, Ausstellungen oder Events zu dokumentieren. Berufsfotografen müssen sich umorientieren. Felix von Muralt hat fünf Bildermacher beobachtet, begleitet, befragt. «Dieser Film», so der Filmautor, «ist eigentlich aus einer Laune heraus entstanden. Oder, um ehrlich zu sein, anfänglich aus meinem Ärger über einige biografische Filme über berühmte Fotografen, in denen man den Eindruck erhalten konnte, das Leben eines Fotografen bestünde hauptsächlich daraus, ununterbrochen Meisterwerke zu schaffen.» Der Zürcher Filmemacher, Kameramann und Fotograf Felix von Muralt, 1991 Gründungsmitglied der Fotoagentur Lookat in Zürich, gewann 2016 den Schweizer Filmpreis für «Schellen-Ursli, hat seit 2001 in unregelmässigen Abständen Fotografenfreunde begleitet, gefilmt und Statements eingefangen.

So entstand ein Kaleidoskop mit fünf Fotografen über fünf Existenzen, Veränderungen, Fotophilosophien und eine technische Revolution. Die Digitalisierung der Fotografie oder eben «Demokratisierung des ganzen Mediums» (Tomo Muscionico), hat eine ganze Branche In Frage gestellt. Namhafte Fotoagenturen machten dicht, denn fast jeder wurde mit seinem Handy zum Fotoreporter. Der Film «Shadow Thieves» wird zum Zeugnis eines Umbruchs, einer Neuorientierung und Beitrag über die Bedeutung von Bildern.

Der Zürcher Tomo Muscionico war Bildreporter, porträtierte Politiker (Nelson Mandela, Vaclav Havel u.a.), zog nach Las Vegas, wo er hinter die Kulissen blickte, und arbeitet u.a. für den Cirque du Soleil.

Luca Zanetti ist heute vor allem von Kolumbien aus in Lateinamerika unterwegs. Er hat sein Augenmerk auf soziale und klimatische Veränderungen, auf die «Condition Humaine» gerichtet.

Thomas Kern, Zürich, war Fotoreporter mit dem Schwerpunkt Krieg und seine Auswirkungen und arbeitet seit 1997 regelmässig über Haiti. Er hat wieder angefangen, in einer eigenen Dunkelkammer an seinen Bildern zu schaffen.

Der Pariser Jean François Joly widmet sich vor allem Menschen am Gesellschaftsrand – Sinti und Roma, Clochards in Paris, Kopten in Kairo und dem Antlitz von Toten.

Der Deutsche Maurice Weiss ist Kenner der deutschen Politik, des Bundestages und fürs Energie- und Wirtschaftsministerium tätig. Er meint: «Ich glaube, dass sich die Idee des Fotografen komplett verändern muss und mehr Richtung Autorenschaft gehen muss.»

In seinen Langzeitbeobachtungen dokumentiert von Muralt nicht nur fünf Bildermacher, sondern zeigt auch, wie die Wirklichkeit permanent abgebildet, abgetastet wird, ohne sie zu erkennen, zu begreifen. So fliessen millionenfach Abdrücken etwa im Internet vorbei, ohne dass man sie wirklich wahrnimmt. Der Bilderstrom, online gestellt, ist nur eine flüchtige Masse. Bilder sollten aber auch Geschichten erzählen, Schicksale dokumentieren, zu Wirklichkeiten vordringen. Die fünf Protagonisten mit der Kamera sind Zeitzeugen, die weit über die Linse hinausblicken, zu Künstlern werden, die dahinter blicken. Produziert wurde «Shadow Thieves» übrigens vom bekannten TV-Mann und Filmer Paul Riniker.


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Schweiz 2017
81 Minuten

Regie: Felix von Muralt
Drehbuch: Felix von Muralt
Kamera: Felix von Muralt

Mitwirkende: Thomas Kern, Jean François Joly, Maurice Weiss, Luca Zanetti und Tomo Muscionico


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