Schachnovelle

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Gestern Opernball, heute gefangen: Anwalt Josef Bartok (Oliver Masucci) wird von der Gestapo in einem Hotelzimmer total isoliert. Um nicht wahnsinnig zu werden, spielt er Schach. (Pathé Films)



Verrückte Flucht


Die Nazis haben sich 1938 Österreich einverleibt und ins grossdeutsche Reich integriert. Damit einher gingen die Konfiszierung jüdischen, kirchlichen Vermögens und jüdische Verfolgung. Der grossbürgerliche Anwalt Dr. Josef Bartok (Oliver Nasucci) hält den nationalistischen Spuk für eine kurzzeitige Erscheinung, bis er selber verhaftet und vom Gestapo-Mann Franz-Josef Böhm (Albrecht Schuch) einvernommen wird. Ein Anwalt, der Vermögen verwaltet, findet sich im Wiener Luxushotel Monopol wieder, geziemend behandelt, aber total abgeschottet und isoliert. Böhm widersetzt sich beharrlich und weigert sich, sein Wissen um die Konten seiner Klientel preiszugeben.

Geistigem und räumlichen Vakuum ausgeliefert, gelingt es dem Inhaftierten, ein Buch zu stehlen. Doch die erhoffte geistige Nahrung entpuppt sich als Kompendium berühmter Schachpartien. Und so beginnt Bartok, ein Schachbrett (Fliesen) «aufzubauen» und aus Brotkrumen Schachfiguren zu formen. Zuerst spielt er Partien nach, dann Partien gegen sich selbst. Er spielt auch weiter, als man sein Buch konfisziert. In seinem Kopf hat er alles gespeichert.

Irgendwann geben seine Folterknechte ihn, dem Wahnsinn nah, auf und lassen ihn frei. So gelangt Bartok, der nun Werner von Basil heisst, auf ein Passagierschiff in Rotterdam. Amerika ist das Ziel. Hier trifft er vermeintlich auch seine Frau Anna (Birgit Minichmayr) wieder. Traum oder Wirklichkeit? Auf dem Ozeandampfer in die Staaten wartet eine weitere Herausforderung auf den Emigranten. Der Schiffseigner (Rolf Lassgård) animiert ihn, gegen den Schachweltmeister Centovic anzutreten, doch der Herausforderer fürchtet um ein neu ausbrechendes «Schachfieber», sprich Bewusstseinsspaltung. Eine verrückte Schicksalsstunde.

Stefan Zweigs berühmtes Werk «Schachnovelle» entstand zwischen 1938 und 1941 im brasilianischen Exil. Sein letztes Werk. Bereits 1960 wurde die Novelle verfilmt mit Curd Jürgens als Basil, Hans-Jörg Felmy als Gestapo-Knecht Berger und Mario Adorf als Czentovic. Interessant, aber als «seltsam biederer Oberflächen-Realismus» kritisiert. In der Neuverfilmung von Philipp Stölzl («Der Medicus») spielt das Endspiel, sprich Schach-Duell auf dem Dampfer, nur eine Randrolle, klischeehaft und wenig überzeugend. Der Film-Fokus liegt auf den Psychoterror, dem Bartok ausgesetzt ist, wobei Stölzl nicht auf Horrorszenen verzichtet und der Gestapo-Folterknecht Böhm arg lackiert daherkommt. Darsteller Masucci bemüht sich redlich, den inneren Wahnsinn des Schachspielers aus Not rüberzubringen, doch so richtig gut gelingt das nicht. Auch Bartoks Gefährtin Anna bleibt schemenhaft und Randerscheinung. So wirkt Stölzls Schachnovelle-Version über Faschismus und Menschenwürde, Wahn und Wirklichkeit, Bedrohung und Befreiung weitgehend oberflächlich und plakativ.


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Deutschland 2021    
112 Minuten

Regie: Philipp Stölzl
Buch: Eldar Grigorian
Kamera: Thomas W. Kiennast

Darsteller: Oliver Masucci, Birgit Minichmayr, Albrecht Schuch, Moritz von Treuenfels


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