Rheingold

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Wandlungsfähig: Xatar alias Giwar Hajabi (Emilio Sakraya) ist unberechenbar, mutiert vom Schläger, Dealer und Gangster zum Rapstar und Musikproduzenten. (Warner)



Wenn sich ein Räuber zum Rapper wandelt


Seine Laufbahn ist wahrlich kinoreif. Und so konnte Regisseur Fatih Akin («Gegen die Wand») auf einen spannenden Stoff zurückgreifen, auf den Roman «Alles oder nix» von Giwar Hajabi. Die 140 Filmminuten beginnen im Iran 1981, in dem Jahr, in dem Hajabi inmitten von Kriegswirren geboren wird. Die kurdische Familie, von Saddam Hussein verhaftet, landet im Gefängnis und konnte dank des Roten Kreuzes in den Irak, dann nach Frankreich ausreisen. Der Vater, Musiker und Komponist, und Familie liessen sich in Bonn nieder. Später ging der Vater eigene Wege, liess die Familie allein. Er hatte wohl das musikalische Interesse des Sohnes geweckt. Der befasste sich mit HipHop, aber mehr noch mit dunklen und schmutzigen Geschäften. Giwar trainierte, eignet sich Schlägerqualitäten an, wird Türsteher bei einem Nachtklub, Dealer und rechte Hand eines Gangsterclans.

Immer schneller drehte sich die kriminelle Spirale. Als er eine Grossladung Kokain im Wert von 500'000 Euro vermasselt (sie geht verloren), steht er tief in der Kreide bei einem Drogenkartell. Und so dreht er mit Komplizen ein spektakuläres Ding, um die Schulden zu tilgen: Er überfällt 2009 einen Transporter mit Schmuck und Zahngold im Wert von rund 1,7 Millionen Euro. Die Bande wurde gefasst, Giwar alias Xatar, so sein Rappername, zu acht Jahren Knast verurteilt, aber nach fünf Jahren Ende 2014 entlassen.

Während der Haftzeit hatte er heimlich an einer Musikproduktion gearbeitet und spektakulären Erfolg – vom Räuber zum Rapper-Millionär. Oder vom Saulus zum Paulus – Regisseur Fatih Akin hat diese kriminelle Karriere nachgezeichnet. Sehr überzeugende Bilder liefert der Schweizer Kameramann Rainer Klausmann (73), was Jugend und frühe Aktivitäten des Gangster-Rapper betrifft – rau, roh, gewalttätig. Doch dann wandelt sich das Drama zu einem Hollywood-Verschnitt und endet in heiler Welt unter mexikanischer Sonne.

Wagners Oper «Rheingold» spielte in Giwars Bonner Zeit – der Vater war an der Bonner Oper angestellt – eine Rolle und wurde von Fatih Akin am Ende wieder aufgenommen: Rhein-Nixen tauchen nach dem legendären Schatz. Man merke: Auch die Gold- und Schmuckbeute der Bande um Giwar Hajabi blieb verschollen. Akins Biopic um den Helden mit der grossen kriminellen Energie spannt einen grossen Bogen – vom Flüchtlingsdrama zur Kriminalstory, vom Gangsta-Porträt zur Erfolgshymne. Man spürt Akins Sympathie für seinen Helden, doch das macht den «Rheingold»-Rapper keineswegs sympathisch und weckt beim Zuschauer mehr Zweifel als Begeisterung.


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Deutschland 2022
140 Minuten

Buch und Regie: Fatih Akin
Kamera: Rainer Klausmann
Besetzung: Emilio Sakraya, Mon Pirzad, Ilyes Raoul, Sogol Faghani

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