L’Innocent

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Zweifel sind erlaubt: Abel (Louis Garrel) misstraut dem Knastinsassen Michel (Roschdy Zem), den seine Mutter Clémence (Noémie Merlant) heiraten will. (Cineworx)



Auf schiefer Bahn


Unschuldig (l’innocent) ist ein grosses Wort, und wer ist hier eigentlich unschuldig: Der Kriminelle Michel, der ein gutbürgerliches Leben anstrebt, Sylvie, die sich in den Häftling verliebt hat, oder Abel, der seine Mutter schützen will und die Verbindung zu Michel sabotiert?

Eine Romanze hinter Gittern? Nicht ganz, eher danach. Sylvie (Anouk Grinberg), um die 60, rüstig, gibt Workshops im Gefängnis und verguckt sich in den Knacki Michel (Roschdy Zem), der eine Strafe für einen Raub absitzt. Sylvies Entschluss steht fest, sie glaubt an diese Liebe und will sich von einer Heirat mit Michel nicht abbringen lassen. Auch nicht von ihrem Sohn Abel (Louis Garrel), ein Spezialist für Fische im Aquarium und dem Hang zum Pessimismus, der eifersüchtig und höchst argwöhnisch gegenüber dem Mann mit der kriminellen Vergangenheit ist. Unterstützt wird er von seiner Freundin Clémence (Noémie Merlant).

Das frisch vermählte Paar eröffnet einen Blumenladen nach Michels Entlassung. Es scheint alles mit rechten Dingen zuzugehen. Trotz aller Skepsis gewinnt der Ex-Knacki allmählich die Sympathie des Stiefsohnes. Noch besser, nach anfänglichem Zögern lassen sich Abel und Clémence für einen Raubzug einspannen. Denn so ohne Weiteres stellt man keine Blumenboutique auf die Beine. Michel hat sich auf einen Deal eingelassen und muss einen Kaviartransporter ausrauben, um seine Schulden zu tilgen.

Geschickt verknüpft Regisseur und Hauptdarsteller Louis Garrel eine amüsante Familien-/Liebesgeschichte mit einem Krimi. Hier der Mutter-Sohn-Konflikt, dort die kriminelle Aktion. Das ist bisweilen betulich romantisch, dann aber auch spannend, besonders was das Unternehmen «Kaviar» angeht. Die Story, die Konstellation haben einen realen Hintergrund, verrät Louis Garrel in einem Interview: «Der Ausgangspunkt dieser Erzählung ist wirklich die Geschichte meiner Mutter, die sich tatsächlich im Gefängnis verheiratet hat. Ich hatte mich mit meinem Stiefvater sofort gut verstanden, der mir Türen zu einer Welt aufstiess, die ich nicht kannte.» Ein Höhepunkt dieses schrägen, ironisch angehauchten Liebesdramas bildet eine Szene in einer Raststätte, in der Clémence einen Lastwagenfahrer bezirzen und ablenken soll, damit ihre Kumpane den Transporter ausrauben können. Aber das ist noch nicht alles in diesem Schlamassel … Ein Raubzug - menschlich witzig und spannend zugleich.



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Frankreich 2022    
99 Minuten

Regie: Louis Garrel
Buch: Garrel und Tanguy Viel
Kamera: Julien Poupard

Mitwirkende: Louis Garrel, Noémie Merlant, Anouk Grinberg, Roschdy Zem


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