Gemeinsamer Widerstand: Der Ex-Söldner Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen) will mit seiner Magd Ann Barbara (Amanda Collin) und seinen «Kolonialisten» die Jütländer Heide urbar machen. (Filmcoopi)
Wider Gutsherr, Natur und Vorurteile
Der Originaltitel trifft den Kern: «Bastarden». Es geht um rechtlose besitzlose Menschen – im 18. Jahrhundert. Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen) ist ein Bastard, also der uneheliche Sohn eines Landedelmanns. Er hat sich über 25 Jahre in der preussischen Armee zum Hauptmann hochgedient, ist 1755 in die Heimat Dänemark zurückgekehrt und dem Ruf des Königs Frederik V. gefolgt. Der hatte zur Kultivierung der wilden öden Heide in Jütland aufgerufen. Wer das unfruchtbare Ödland kultiviert, also fruchtbar machte, sollte mit Adelstitel und Landbesitz belohnt werden.
Ex-Söldner Kahlen hat einen Plan. Das missfällt dem selbstherrlichen Gutsherr Frederik De Schinkel (Simon Bennebjerg), denn er wähnt sich als absoluter Landesherr, nach dessen Pfeife die Bauern zu tanzen haben. Kahlen aber beharrt darauf, dass die Heide Königsland ist und er das Recht hat, es zu kultivieren. Der Siedler steht allein auf weiter Flur. Allein der junge Pfarrer Anton Eklund (Gustav Lindh) sowie das geflüchtete Bauernpaar Ann Barbara (Amanda Collin) und Johannes (Morten Hee Andersen) unterstützen. De Schinkel ist unerbittlich, lässt den «desertierten Bauern» Johannes gefangennehmen, vor geladener Gesellschaft foltern und ermorden. Auch ein Völkchen von Rechtlosen (Fahrenden), die Kahlen beim Roden helfen, werden vertrieben wie auch deutsche Siedler, die auf des Königs Geheiss beim «Kolonisieren» helfen sollen. Selbst das Roma-Mädchen Anmai Mus (Melina Hagberg) muss Kolonialist Kahlen opfern. Dennoch scheint sein Plan aufzugehen: Er hat Kartoffeln angepflanzt, und der König ist begeistert.
Weite Landschaften, karge Lebensbedingungen, unerbittliche Natur, Landnahme, Kolonialisierung, Profitdenken, Gewalt, Widersacher und der Wille des Einzelnen: Das sind auch Merkmale des US-Western. Nur gibt es in diesem historischen Sozialdrama keine Revolverduelle, Saloonvergnügen, Honky Tonk oder den (letzten) Ritt ins Abendrot. Hier reitet der Held zum Meer, soviel sei verraten. Tragisch schön und grandios.
Nach dem Roman «Kaptajnen og Ann Barbara» von Ida Jessen entwickelte der Däne Nikolaj Arcel ein Drama um Landbesitz, Standesdünkel, Macht und Vorurteile. Geradezu eine archaische Tragödie. Das Milieu, sprich gesellschaftliche Verhältnisse von Besitzenden und Rechtlosen, Staatsdienern und Leibeigenen, wird geradezu exemplarisch geschildert. Einzelgänger Kahlen ist der Brennpunkt – Hoffnung der Rechtlosen und Ärgernis des arglistigen, gewalttätigen Psychopaten Schinkel. Mad Mikkelsen verkörpert diesen Widersacher und «Eroberer» des Königslandes mit stoischer Sturheit, minimalistischer Mimik und grosser Ausstrahlung. Er wurde für diese Rolle mit dem Europäischen Filmpreis 2023 belohnt – wie auch Rasmus Videbæk (Beste Kamera) und Kicki Ilander (Bestes Kostümdesign).
Dänemark 2023
128 Minuten
Regie: Nikolaj Arcel
Buch: Arcel und Anders Thomas Jensen
Kamera: Rasmus Videbæk
Darsteller: Mads Mikkelsen, Amanda Collin, Simon Bennebjerg, Kristine Kujath Thorp, Felix Kramer
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