Girl

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Auf der Schwelle zur Veränderung: Der 15-jährige Teenager Lara alias Viktor (Viktor Polster) fühlt sich in seinem Körper gefangen, will Ballerina und Frau werden. (DCM Film)



Schmerzliche Selbstfindung


Das tut grausam weh. Die fünfzehnjährige Lara quält sich mit dem Spitzentanz (en pointe). Die Ausbildung in einer Brüsseler Elite-Ballettschule ist hart und gnadenlos. Lara will Ballerina werden. Eigentlich hätte sie damit bereits vor zehn Jahren anfangen müssen, erklärt ihr die Tanzlehrerin. Die Folge: Sie «kasteit» ihre Füsse bis aufs Blut. Doch das ist nicht ihr einziges Problem. Die Teenagerin steckt (noch) im Körper von Viktor. Sie wartet ungeduldig auf die entscheidende, geschlechtsangleichende Operation. Doch der Prozess der Umwandlung braucht Zeit, fordert Körper und Seele. Lara hiess vorher Viktor und wird von ihrem kleinen Bruder Milo (Oliver Bodart) in einer heftigen Auseinandersetzung schmerzhaft daran erinnert. Ihr Vater Mathias (Arieh Worthalter) behütet und begleitet sie verständnis- und liebevoll auf ihrem Gender-Weg zur Frau. Auch Ärztin wie Psychologe unterstützen sie mit viel Einfühlungsvermögen, mahnen zur Geduld und raten zur Aufgabe ihrer Tanzambitionen.

Lara trotzt Widrigkeiten. Sie fühlt sich in ihrem Körper gefangen, will endlich auch physisch eine ganze Frau werden. Die Hormonbehandlung geht ihr zu langsam. Sie sehnt sich nach Brüsten, hasst ihren Penis. Die Mittänzerinnen sind eingeweiht, gleichwohl stellen sie sie bloss. Lara kämpft an zwei Fronten – als Pubertierende zwischen Knabe und Mädchen und als Tanzelevin. Sie ist stark und verlangt ihrem Körper verbissen alles ab.

Die Kamera (Frank van den Eeden) bleibt hautnah, geradezu schmerzhaft nahe an der Heldin und ihrem Körper. Lara tut alles, um die zu werden, die sie sein möchte. Verständnisvoll und sensibel beschreibt Lukas Dhont aus Gent in seinem Erstlingsfilm den Prozess einer Reifung und Selbstfindung. Das sehr intime Melodrama über Transformation und die komplizierte, alles abverlangende Geschlechterumwandlung ist auch die Geschichte einer Leidenschaft und Selbstbestimmung. Viktor Polster verleiht der Protagonistin ungemein Ausdruck. Eine grandiose schauspielerische Leistung des 16-jährigen Belgiers, selbst ausgebildeter Tänzer, der den Film zu einem Erlebnis werden lässt. Das Drama wurde am Zurich Film Festival mit dem Goldenen Eye ausgezeichnet. Zuvor hatte «Girl» in Cannes die Camera d'Or Award gewonnen, Victor Polster wurde mit einem Jury-Preis (Un Certain Regard) belohnt.


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Belgien 2018
105 Minuten

Regie und Buch: Lukas Dhont
Kamera: Frank van den Eeden

Darsteller: Viktor Polster, Arieh Worthalter, Valentijn Dhaenens, Nele Hardiman


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