Coup de chance

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Alte Liebe rostet nicht: Fanny (Lou de Lâage) trifft Alain (Niels Schneider), einen Schulfreund, zufällig in Paris wieder. (Frenetic Films)



Alles unter Kontrolle


Eine Pariser Idylle im Herbst? Eine noble Wohnung in bestem Quartier. Hier leben der smarte Geschäftsmann Jean (Melvil Poupaud) und seine Frau Fanny (Lou de Lâage). Ein ideales Refugium für ein glamouröses Liebespaar. Doch der schöne Schein kann trügen. Jean ist ein Kontrollfreak, aber Fanny fühlt sich geborgen und sicher. Bittere Erfahrungen vor dieser Verbindung haben sie etwas blind gemacht. Als ihr zufällig ihre Jugendliebe Alain (Niels Schneider), ein Schriftsteller, über den Weg läuft, funkt es ein bisschen und ein bisschen mehr. Allmählich wird ihr klar, dass der goldene Käfig mit Komfort und Sicherheit auch andere Seiten hat und ihr Leben einschränkt. Es kommt, wie es kommen muss: Sie verliebt sich. Gatte Jean wittert irgendwie, dass seine Fanny «flügge» wird, und lässt sie beschatten. Alain verschwindet spurlos. Hat Jean seine Finger im Spiel? Er scheint nicht ganz sauber, denn es gibt Verdächtigungen, dass sein früherer Partner verschwunden ist – zu seinen Gunsten sozusagen. Jennys Mutter Camille (Valérie Lemercier), die grosse Stücke auf ihren Schwiegersohn hält, wird misstrauisch (Mutterinstinkt!) und schnüffelt nach ...

Schatten über der geschönten bürgerlichen Romanze. Das ist Woody Allens Ding, er entwickelt die Beziehungskiste zum Thriller. Typisch Allen, sein Film spiegelt verschiedene Welten, sprich Männer, und lässt sie auflaufen. Für beide ist kein Platz: Hier der gerissene, wohl auch amoralische Geschäftsmann, der seine Frau als Trophäe betrachtet, und der Künstler, der an Zufall und Glück glaubt. Die verzwickten Vernetzungen löst Allen überraschend, wenn auch nicht ganz überzeugend auf.

Nach «Midnight in Paris» (2010) hat sich der New Yorker Woody Allen ganz der Metropole an der Seine hingegeben. Es gibt etwas zu sehen (dank Allens Kamerakumpel Vittorio Storaro) –Jardin du Luxembourg beispielsweise, Montmartre oder Champs-Elysée dezent stimmig. Woody Allen hat sich in seinem 50. Film (!) ganz aufs Französische eingelassen und auf Französisch gedreht, ohne darin firm zu sein. «Da ich das Drehbuch geschrieben habe», erklärte Allen, «wusste ich, was die Schauspieler in jeder Szene sagten. Und wenn ich Zweifel hatte, fragte ich meine Drehbuchautorin oder die Kameraleute, die ihrerseits Französisch sprechen.» Das hat dem Film gutgetan. «Coup de Chance» wurde Allens bester europäischer Film. Das Beziehungsdrama ist ein bisschen zahm und weniger bissig als frühere Filme. Es hat intelligenten Unterhaltungswert, und der Spannungsbogen spannt sich. Mag die Auflösung auch etwas künstlich und nur bedingt schlüssig scheinen, ein «Glücksfall» ist diese charmanten Allen-Beziehungskiste mit kriminellem Touch alleweil.


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Frankreich 2023
110 Minuten

Buch und Regie: Woody Allen
Kamera: Vittorio Storaro

Ensemble: Lou de Lâage, Valerie Lemercier, Melvil Poupaud, Niels Schneider


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