City of Wind

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Heikle Zuneigung: Maralaa (Nomin-Erdene Ariunbyamba) findet Interesse am jungen Schamanen Ze (Tergel Bold-Erdene), hat aber mit Schamanismus wenig am Hut. (Trigon-Film)



Spiritualität im Spannungsfeld von Tradition und Moderne


Eine Familie hat sich in einer Jurte versammelt. Eine seltsame Gestalt im fransenbesetzten Kostüm, das Gesicht von haariger Maske und Schmuck verborgen, beginnt sich zu eigenartigen Trommelrhythmen zu bewegen. Der Schamane beschwört scheinbar Geister, murmelt Unverständiges, von einer Assistentin übersetzt.
Er führt dieses Ritual auf Bitten einer Mutter durch die um ihre Tochter Maralaa (Nomin-Erdene Ariunbyamba) bangt. Die Ungewissheit bezüglich einer bevorstehenden Herzoperation nagt an den Angehörigen, sie erhoffen sich Trost und Voraussicht durch den Schamanen.

Überraschend steckt hinter dem maskierten Beschwörer ein junger Mann, der 17-jährige Ze (Terget Bold-Erdene). Er ist mit schamanischen Fähigkeiten gesegnet, glauben Verwandte und Bekannte. Die «Patientin» Maralaa hält wenig bis gar nichts von diesen traditionellen Ritualen. Sie verspottet den jungen Ze und bezichtigt ihn gar des Betrugs.
Der Jüngling ist indes nicht beleidigt. Im Gegenteil, er sucht Maralaa nach der Operation auf. Der Beginn einer Romanze zwischen zwei Menschen, die zwar derselben modernen Gesellschaft angehören, aber gänzlich unterschiedliche Lebensauffassungen und Erwartungen haben. Ze entdeckt die Liebe und muss erfahren, dass seine Fähigkeiten als Schamane schwinden.

Nun, um eines klar zu stellen: Die mongolische Filmemacherin Lkhagvadulam Purev-Ochir hatte alles andere im Sinn, als eine exotische Romanze zu beschreiben. Ihr geht es um Kontraste zwischen Tradition und Moderne, Spiritualität und Rationalismus, natürlich auch die Entwicklung von der Pubertät zum Erwachsenenwerden. Sehr einfühlsam pendelt sie die Diskrepanzen zwischen äusserer und innerer Welt, zwischen modernen Ansprüchen (Gepflogenheiten) und gelebter Spiritualität aus.
Sie geht bei ihrem Film, der auch ein authentisches Gesellschaftsbild bietet, nicht um krasse Kontroversen, sondern um Annäherung, Verständnis und Akzeptanz. Sie will den Schamanismus nicht magisch verklären und meint: «In der Mongolei ist der Schamanismus genau das Gegenteil von Illusion oder Übernatürlichem; er ist die Natur selbst, er ist natürlich. Deshalb ist meine Herangehensweise an die Spiritualität und an den Film naturalistisch. Ich wollte dokumentieren, nicht verführen oder dramatisieren.»
Gedreht wurde in einem Jurtenquartier von Ulaanbaatar, der Hauptstadt der Mongolei. «City of Wind» ist ein Kleinod unter den Arthouse-Filmen, das am Filmfestival von Premiere feierte. Tergel Bold-Erdene ist Laienschauspieler und wurde in Venedig ausgezeichnet.
Nebenbei: die Mongolei ist laut Wikipedia viermal so gross wie Deutschland und hat drei Millionen Einwohner, wovon 40 Prozent der Bevölkerung in der Hauptstadt lebt.


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Mongolei 2023    
104 Minuten

Buch und Regie: Lkhagvadulam Purev-Ochir
Kamera: Vasco Mendonça

Ensemble: Tergel Bold-Erdene, Nomin-Erdene Ariunbyamba, Anu-Ujin Tsermaa, Bulgan Chuluunbat


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