Architektur der Unendlichkeit

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Architektur ist auch Raumgestaltung. Sie formt, begrenzt und öffnet Räume. Regisseur Christoph Schaub in James Turrells Skyspace in Zuoz (oben), der Architekt Peter Märkli (cineworx)





Emotionale Begegnungen –
das Zusammenspiel von Licht und umbautem Raum


Architektur begegnet uns auf Schritt und Tritt, ist ein wichtiger Faktor unseres Daseins. Was macht sie aus Räumen, wie wirkt sie? Raum ist ein Medium der Architektur (aber nicht ausschliesslich). Architektur fasst Räume, umbaut und gestaltet sie, begrenzt, erweitert und öffnet sie. Er hatte immer schon ein Faible für Architektur, der Zürcher Filmer Christoph Schaub.

Sein jüngstes Dokumentarwerk «Architektur der Unendlichkeit» befasst sich mit umbautem und freiem Raum und wirft dabei philosophische und essentielle Fragen auf. «Ich versuche den Begriff Architektur weit zu fassen, Architektur im Sinne der räumlichen Erfahrung universeller zu verstehen», so eine Erklärung Schaubs. Er wollte die emotionale Wirkung von Räumen erforschen und dokumentieren. Christoph Schaub («Bird's Nest», «Sternenberg», «Giulias Verschwinden) lädt ein zu einer denkwürdigen Reise mit Peter Zumthor, Peter Märkli, Álvaro Siza Viera, James Turrell.
Ausgangpunkt sind sakrale Bauten wie die Barockkirche im Kloster Maria Stein (Kanton Solothurn) oder die romanische Kirche in Biron (Charente-Maritime). Andere Bauten von der Schweiz bis Frankreich, Spanien und Portugal kommen hinzu. In Portugal stösst er auf eine «weisse Welt» in der Igreja Santa Maria de Marco da Canaveses (1994–97) von Álvaro Siza Vieira, einer Kirche mit räumlicher Klarheit und geometrischer Abstraktion. Anders die Feldkapelle (2005–2007) in der Eifel. Hier haben die Landwirte Trudel und Hermann-Josef Schweidtweiler dem Schweizer Heiligen Bruder Klaus einen Turmbau gewidmet – aus Dankbarkeit. Peter Zumthor hat ihn entworfen, eine eigenwillige Kapelle aus Beton und ausgebrannten Fichtenstämmen nach oben offen, ein Ort der Einkehr und persönlichen Meditation – ohne Altar.

Als «lichter Raum» entpuppt sich Skogskyrkogården, ein Waldfriedhof in Stockholm, zwischen 1917 und 1940 angelegt und ausgebaut. In die Liste des Weltkulturerbes der Unesco aufgenommen als bedeutenden Beispiel «für die Verschmelzung von Architektur und Kulturlandschaft». Ganz anders der zylindrische Skyspace in Zuoz, das Kunstobjekt (2005) von James Turell, quasi ein Aussenposten seines Skyspace in Arizona. Es symbolisiert Licht und Schaubs Film versteht sich nicht als Reiseführer oder Architekturdokument, sondern als filmisches Essay und Reflexion über das Zusammenspiel von Licht und Raum, Natur und Existenz.

Ursprünglich ging es Schaub bei seinem Filmprojekt um die eigentliche Architektur, um Geschichte und Bedeutung von Kirchen. Doch je intensiver er sich damit beschäftigte, desto tiefer drang er in die Räume, ihre Wirkung und Sinnlichkeit ein. Kirchen, so seine Erkenntnis, sind nicht nur Orte der Geborgenheit und manifestierter Glaubens, sondern «thematisieren das Jenseits als Gegenentwurf zum endlichen Leben auf der Erde». So entstand eine universelle, filmisch-philosophische Betrachtung über Architektur, innere und äussere Räume, über Endlichkeit im Unendlichen. Ein Ich-Erzähler bringt eine persönliche Note ein. Vertiefend tragen auch die Statements der namhaften Architekten Zumthor, Turrell, Álvaro Siza Viera oder Peter Märkli bei, die Arbeiten der Künstlerin Cristina Iglesias (Installationen, Bildhauerin) und die Musik des Schlagzeugers Jojo Mayer bei. Ein Zusammenspiel von Licht und Raum, umbaut und unbebaut: Schaubs sinnliche, denkwürdige Begegnungen mit Architektur.


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Schweiz 2019
85 Minuten

Regie und Buch: Christoph Schaub
Kamera: Ramón Giger

Mitwirkende: Peter Zumthor, Peter Märkli, Álvaro Siza Vieira, Jojo Mayer, James Turrell, Cristina Iglesias


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