Zwingli

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Ein Mann fürs Volk: Huldrych Zwingli (Max Simonischek) berief sich auf die Bibel und forderte die Katholische Kirche mit seinen Ideen und Reformen heraus. Anna (Sarah Sophia Meyer, Bild), die starke Frau an seiner Seite, sah die Gefahr kommen. (Ascot Elite)


Siehe auch Interview mit Regisseur Stefan Haupt und Schauspieler Anatole Taubman


«Ich bin dein Gefäss, brauch mich oder brich mich.»


«Zwingli» – das ist nicht nur eine Geschichtsstunde und Porträt sondern auch ein lebendiges Zeit- und Sittenbild. Der Prediger und Erneuerer Zwingli hat die Schweizer Gesellschaft und Kultur massgeblich mitgeprägt. Die Zeitreise beginnt 1519, als der Bauernsohn aus dem Toggenburg, leitender Pfarrer und Magister in Glarus, von Einsiedeln kommend, das Amt eines Leutpriesters am Zürcher Grossmünsterstift antritt, 35 Jahre alt. Das Stift gehörte dazumal zum Bistum Konstanz.

Aus eigener Erfahrung als Feldgeistlicher war Zwingli gegen das Söldnerwesen. Die Zürcher Regierung war gleicher Ansicht und liess den Leutpriester gewähren. Zwingli war volksverbunden, seine Grundlagen waren die Evangelien. Der Prediger, ein aufbegehrender, kritischer Geist, interpretierte und legte das Neue Testament verständlich fürs Volk aus. Er prangerte die katholische Obrigkeit an, animierte zum Fastenbrechen (Wurstessen bei Froschauer) und trat für die Abschaffung des Zölibats ein. Er strebte eine Übersetzung der Bibel auf Deutsch an, um sie einer breiten Bevölkerung nahe zu bringen. Das Vorhaben gelang tatsächlich, zusammen mit Gesinnungsgenossen Leo Jud (Anatole Taubman) realisierte er sie zwischen 1524 und 1529. Sie wurde von Christoph Froschauer gedruckt– vor Luthers Vollbibel 1535. Dessen Neues Testament kam 1522 heraus.

In den drei Zürcher Disputationen (zwischen 1523 und 1524) suchte Zwingli einen friedlichen Weg der Kirchenreformierung. Gleichwohl wurden die Kirchen gesäubert (Bildersturm). Wichtiger waren ihm Reformen im Schul-, Kirchen-und Ehewesen in Zürich. Zwingli selbst heiratete die verwitwete Anna Reinhart 1524, die ihn bereits während der Pest 1519 gepflegt hatte. Zusammen hatten sie vier Kinder. Die unterschiedliche Auslegung der Bibel mit Martin Luther bezüglich Abendmahl konnte Zwingli beim Marburger Religionsgespräch 1529 nicht ausräumen. Ein protestantischer Konsens und Zusammengehen gegen Papst und Kaiser kamen nicht zustande.

Die Gefahr eines Glaubenskrieges zwischen den reformierten Parteien, Zürich und Bern, und den katholischen Urkantonen konnte letztlich nicht verhindert werden. Zwingli selbst nahm als Soldat am Zweiten Kappelerkrieg 1531 teil, wurde gefangen genommen und getötet. Mit seinem Tod endet Haupts Spielfilm «Zwingli». Das Schlachtengemetzel sowie das Ende des Reformators spart er aus. Das letzte Wort (und Bild) gehört den Frauen, den fortschrittlichen wie Anna, die nicht verzagen, sondern an die Zukunft glauben, im Gegensatz zu den vorsichtigen konservativen, die sich lieber ducken.

Der solide, stimmige Film konzentriert sich auf das Paar Huldrych und Anna, die gesellschaftlichen Verhältnisse und Umbrüche, das alltägliche Leben, soziale Verbesserungen und zwischenmenschliche Befindlichkeiten. Die Reformationsbewegung und direkte Auswirkungen auf das Leben werden anschaulich vor Augen geführt, wie auch die Konflikte mit der beherrschenden katholischen Kirche.

Das Fraumünsterkloster wurde 1524 in Zürich aufgehoben. Verkörpert im Film durch die herrschaftliche Äbtissin – eine schön inszenierte Nebenerscheinung und Randnotiz wie auch Zwinglis Reise zu Luther. Das gewonnene Kapital durch die Klosteraufhebung sollte von der Regierung für soziale Zwecke (Suppenausgabe etc.) eingesetzt werden.


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Schweiz 2019  
126 Minuten



Regie: Stefan Haupt
Drehbuch: Simone Schmid

Kamera: Michael Hammon



Darsteller: Max Simonischek, Sarah Sophia Meyer, Anatole Taubman, Oscar Sales Bingisser, Charlotte Schwab, Rachel Braunschweig, Andrea Zogg, Stefan Kurt, Ueli Jäggi


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