Wunderschön

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Gewichtig: Die 15jährige Leyla (Dilara Aylin Ziem, Bild oben) hadert mit ihrem Körper und findet endlich ihre Berufung – beim Baseball. Keck, schnippisch und flatterhaft: Die Lehrerin Vicky (Nora Tschirner) misstraut der Liebe und wehrt sich – nicht gegen einen Flirt mit Kollege Franz (Maximilian Brückner), aber gegen eine feste Beziehung. (Warner)



Vom fadenscheinigen Schein,
von Abnutzung und neuen Chancen


Frauen in der Krise – junge und reife, verheiratete, alleinerziehende und unentschlossene. Karoline Herfurth schildert in ihrem Episodenfilm heiter bis wolkig, wie frau Schönheitsideale und Selbstoptimierung anstrebt, an sich zweifelt und fast verzweifelt. Für einmal ein Frauenfilm, der diesen Namen verdient.

Fünf Frauen und ihre Lebensentwürfe, Träume, Zweifel, Ausbrüche. Frauke (Martina Gedeck) um die 50 fühlt sich von ihrem Mann (Joachim Król) nicht wahrgenommen, nicht mehr begehrt. Ihre Tochter Julie (Emilia Schüle) tut alles, um Model werden – bis zum Umfallen. Sonja (Karoline Herfurth) wähnt sich im Routinealltag und einem alten Körper gefangen – als Mutter zweier Kinder, vom Ehemann (Milo Eisenblätter) nicht verstanden und eingeengt. Leyla (Dilara Aylin) hat es schwer, auch weil sie schwergewichtig ist. Erst beim Baseball kann sie ihr Talent zeigen und erlebt ihren ersten Frühling.

Kunstlehrerin Vicky (Nora Tschirner) predigt ihren Schülern (so auch Aussenseiterin Leyla), dass es nicht aufs Aussehen ankommt, sondern auf andere innere Werte. Sie selbst ist einem One-Night-Stand nicht abgeneigt, scheut aber tiefere Bindungen und serviert ihren Kollegen, den Sportlehrer Milan (Friedrich Mücke), schnippisch ab – nach einer Liebesnacht.

In ihrem heiter bis wolkigen Beziehungsfilm verknüpft Filmautorin Herfurth verschiedene Frauentypen, Alter und Ambitionen. Ihre Momentaufnahmen vermengen sich, ergeben einen kleinen alltäglichen Kosmos. Dabei schrammt sie bisweilen hart am Kitsch vorbei (Beispiel: ein Waisenmädchen kümmert sich um Julie und umgekehrt – wie herzig!), findet aber stets auf die rechte wunderschöne Lebens- und Liebesspur. Da können Baseball, ein Kuss oder Tangotanzen einiges bewirken.

Ihre Heldinnen haben Identifikationspotenzial. Die flatterhafte Nora Tschirner als schnoddrige, kratzbürstige Emanze ist ebenso sympathisch wie die ganze Frauenbande, bei der Männer punktuell präsent, aber nur Randfiguren sind. Der Film, ironisch, melancholisch und ernsthaft zugleich, hinterfragt falsche Schönheitsideale und falschen Schein. Der Trend zur Selbstoptimierung wird ad absurdum geführt. Der Film tut gut, auch wenn einem dies oder das allzu «wunderschön» märchenhaft vorkommt. Oder vielleicht gerade deswegen!



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Deutschland 2022  
131 Minuten

Regie: Karoline Herfurth
Buch: Herfurth, Lena Stahl, Monika Fässler,
Kamera: Daniel Gottschalk

Schauspielerensemble: Karoline Herfurth, Martina Gedeck, Joachim Król, Nora Tschirner, Friedrich Mücke, Emilia Schüle, Milo Eisenblätter, Dilara Aylin


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