The Wall of Shadows

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Im Schatten eines Heiligen Berges: Eine Sherpa-Familie dient – gegen eigene Überzeugung – drei Bergsteigern, die den Riesen Kumbhakarna (7712 m) besteigen wollen. (Vinca Film)



Die Last der Lastenträger


Der menschliche Ehrgeiz kennt keine Grenzen – sei es eine Atlantiküberquerung (wie auch immer), eine Reise um die Welt (wie auch immer) oder die Bezwingung eines Gipfels auf neuen Routen. Drei Männer hatten eine Expedition auf den Kumbhakarna in Nepal geplant, ein Bergmonstrum von 7712 m ü. M., anspruchsvoller und gefährlicher als der Mount Everest. Ihr Ziel war eine Besteigung über die Ostwand, die noch keinem Bergsteiger gelungen war.

Die Polin Eliza Kubarska, Dokumentarfilmerin («K2. Touching the Sky») und Bergsteigerin, schloss sich dieser Expedition an. Sie wusste, dass die Alpinisten Sherpas aus dem Dorf Kambachen verpflichten würden. Sie wusste auch um die Härte dieser Lastendienste, hatte die Familie um Ngada, Jomdoe und Dawa Sherpa kennengelernt. Sie hatte mit ihnen gelebt und ihr Vertrauen gewonnen. So erfuhr sie von der Legende des Kumbhakarna und die Bedeutung dieses Heiliges Berges für die Einheimischen. Das Gesetz der Lamas und der Götter verbot es eigentlich, den Berg zu besteigen und den Gipfel zu erobern. Die Sherpa-Familie musste also ein Tabu brechen, wollte sie die drei Bergsteiger unterstützen. Obwohl seine Frau Jomdoe dagegen war, entschloss sich der Vater Ngada Sherpa, der bereits neunmal den Mount Everest bestiegen hatte, mitzumachen, um mit dem Verdienst das Medizinstudium des 16-jährigen Sohnes Dawa Tenzin zu ermöglichen. Bis zum Basislager schleppten die Sherpas die Lasten, dann weigerte sich Ngada, die «Gipfelstürmer» aus Europa weiter zu begleiten. Angesichts der Wetterunbilden, Gefahren und des hohen Risikos stieg auch der polnische Teilnehmer, Marcin Tomaszewski, aus. Die beiden Russen liessen nicht locker, wollten Sturm, Eis und dem Berg trotzen …

Spät hatte der polnische Alpinist erkannt, dass Eliza Kubarska keinen Film über die Besteigung dieses Himalaya-Riesen drehen wollte, sondern über Menschen. Exakt, der Bergexpertin ging es nicht um eine halsbrecherische Kletterperformance, nicht um den Akt des Aufstiegs und des vermeintlichen Triumphs, sondern um zwischenmenschliche Konflikte und das Dilemma der Sherpa-Familie. Diese hatte sich gegen Treu und Glauben auf die Trägerdienste eingelassen und die «Schändung» des Heiligen Bergs in Kauf genommen.

Das eindrückliche Dokudrama «The Wall of Shadows» beschreibt Extremsituationen und die harte Wirklichkeit solch einer Expedition – angesichts eines majestätischen, aber auch gefährlichen Berggiganten. Selten wurden die Gewalt der Natur, die Verlockung eines mächtigen Gipfels, aber auch die Kleinheit und Widersprüchlichkeit der Menschen so fesselnd und spektakulär eingefangen wie in diesem Bergdrama (Kamera: Piotr Rosołowski). Und über allem schwebt diese Legende von den drei Brüdern, die in Berge verwandelt wurden. Und einer von ihnen ist eben besagter göttlicher Kumbhakarna.


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Polen, Deutschland, Schweiz 2020  
94 Minuten

Buch und Regie: Eliza Kubarska
Kamera: Piotr Rosołowski

Mitwirkende: Dawa Tenzin Sherpa, Jomdoe Sherpa, Ngada Sherpa, Dmitry Golovchenko, Sergey Nilov, Marcin Tomaszweski


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