The Nest

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Ein Blender und Aufschneider: Rory O'Hara (Jude Law) verspricht auch seiner Frau Allison (Carrie Coon) das Blaue vom Himmel. (Ascot Elite).



Der Scheinheilige oder
das Platzen einer Lebenslüge


Ehrgeiz kann blind machen, Selbstbetrug auch. Dann kann ein Lebensentwurf zusammenbrechen wie ein Kartenhaus. Aus dem Engländer Rory O’Hara (Jude Law) wird man (anfangs) nicht schlau. Der Familienvater scheint sehr erfolgreich und reich und zieht es in den Achtzigerjahren zurzeit von US-Präsident Ronald Reagan Knall auf Fall eines Tages vor, von New York nach Old England umzusiedeln – samt Ehefrau «Al» Allison (Carrie Coon) und den Kindern «Sam» Samantha (Oona Roche) und« Ben» Benjamin (Charlie Shotwell). Die müssen sich wohl oder übel fügen und fühlen sich im alten Landsitz in Surrey, nahebei London, gar nicht wohl, der ihnen das Familienoberhaupt schmackhaft macht. Das weitläufige Gebäude (ein Tudor-Landgut in der Grafschaft Buckinghamshire), das auch einem Agatha Christie-Krimi als Schauplatz dienen könnte, hat etwas Spukhaftes, Verborgenes.

Rory, Finanzjongleur und Rohstoffhändler, ist ehrgeizig, spekuliert und fabuliert, was seine wahren Kapitalverhältnisse angeht. Der Aufschneider baut auf Lügen, die er für wahr hält und wischt eigene Unzulänglichkeiten weg. Es läuft nicht gut beim neuen alten Arbeitgeber in London, der ihn durchschaut hat. Seine Frau Al weiss, dass er ein Blender ist, zögert aber lange, allzu lange, um reinen Tisch zu machen.

Geschickt baut Sean Durkin, Autor und Regisseur, das Psycho- und Beziehungsdrama «The Nest» auf. Schicht um Schicht wird der «Scheinheiliger» entblättert, wird ein Karrierist geoutet, dessen Lebenslügen immer neue Versprechungen und Beschwichtigungen nach sich ziehen. Man fragt sich nur, weshalb seine Frau Al dieses falsche Spiel so lange erduldet und den Scharlatan entlarvt. Ein Lehrstück über Lüge, Selbstbetrug und falschem Schein. Sean Durkin («Martha Marcy May Marlene») zeichnet mit feiner Feder und schlägt zum Schluss nahezu versöhnliche Töne an, die das Drama arg schönen.


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Grossbritannien/Kanada 2020  
107 Minuten

Buch und Regie: Sean Durkin
Kamera: Mátyás Erdély

Darsteller: Jude Law, Carrie Coon, Oona Roche, Charlie Shotwell


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