Portrait de la jeune fille en feu


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Eine bretonische Landschaft, wie von Caspar David Friedrich gemalt: Die junge Adelige Héloise (Adèle Haenel, links) soll verheiratet werden. Sie wird von der Malerin Marianne (Noémie Merlant, rechts)  porträtiert. (Cineworx)


Die Malerin und das Modell


Sie ist eine selbständige Malerin und soll eine junge Frau porträtieren, die unter die Haube kommen soll, sich aber weigert. Zwei Schicksale, zwei Frauen, die sich befreien wollen. Ein zartes, fast stilles Drama über Frauen am Ende des 18. Jahrhunderts, welche die Normen sprengen wollen: «Portrait de la jeune fille en feu».

Selten haben Bilder so für sich und die Heldinnen gesprochen wie in diesem Film von Céline Sciamma (Regie und Drehbuch). Einstellung für Einstellung wie ein Gemälde von Caspar David Friedrich oder Arnold Böcklin. Die Geschichte ist auf den ersten Blick einfach, doch aus einer schlichten Konstellation – Modell und Malerin – entwickelt sich das Drama einer Selbstbestimmung und eine Liebesgeschichte. Eine raue Küstenlandschaft und Insel in der Bretagne um 1770. Eine Frau wird von einem Boot an Land gebracht, trägt ihre Leinwand selbstbewusst zu einem herrschaftlichen Anwesen. Marianne (Noémie Merlant) hat den Auftrag, die junge Héloise (Adèle Haenel) zu porträtieren – quasi als Vorgabe zur Hochzeit. Denn ihre Mutter, die italienischstämmige Gräfin (Valeria Golino), will sie in Mailand verheiraten– gegen ihre Willen. Héloise soll in die Fussstapfen ihrer Schwester treten, die sich wohl von den Klippen gestürzt hat. Aber sie bockt und sperrt sich gegen die Heiratspläne ihrer Mutter. Modell sitzen – kommt nicht in Frage. Die Malerin Marianne, als Gesellschafterin eingeführt, beobachtet sie, macht Skizzen und arbeitet heimlich an einem Gemälde. Sie ist fasziniert, kann ihren Blick kaum von der jungen Frau lösen. Eines Tages outet sich als Malerin und zeigt dem «Objekt der Begierde» ihr Gemälde. Doch die Gemalte beurteilt es abschätzig. Daraufhin zerstört Marianne ihr Werk.

Dies ist zugleich ein Akt der Annäherung der beiden Frauen. Héloise ist nun bereit, Modell zu sitzen. Was anfänglich wie ein Stillleben wirkt, entfaltet sich zu einem Panorama der Sinne. Aus Distanz wird Annäherung, ein Akt des Verstehens, der Rebellion. Als die Gräfin ein paar Tage verreist, leben Malerin und Modell ihre Liebe aus. Nebenbei unterstützen sie die schwangere Magd Sophie (Luana Bajrami) bei einer Abtreibung. Notabene spielt der Film im 18. Jahrhundert, da war eine selbständige Malerin die absolute Ausnahme, die arrangierte Ehe eine Selbstverständlichkeit in höheren Kreisen.

Der Filmautorin Céline Sciamma gelang ein malerisches Meisterwerk, in das man eintauchen und sich bezaubern lassen kann, ein Kammerspiel in rauer, aber stimmiger Landschaft, in dem Männer nur als Randfiguren vorkommen. Der Film spielt mit Blicken und Gesten, verdeckten Emotionen und Andeutungen. Die Liebesszenen sind so zart und sinnlich wie die Farben und Schattierungen. In Cannes wurde Céline Sciamma mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Ein faszinierendes sinnliches Filmgemälde, in dem die Pariserinnen Noémie Merlant und Adèle Haenel exzellent ins Bild gesetzt werden (Kamera: Claire Mathon).


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Frankreich 2019
120 Minuten

Buch und Regie: Céline Sciamma
Kamera: Claire Mathon

Darsteller: Noémie Merlant, Adèle Haenel, Luana Bajrami, Valeria Golino


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