L'adieu à la nuit

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Sie meint es gut und will Schlimmeres verhindern: Gutsbesitzerin Muriel (Catherine Deneuve) kommt dahinter, dass Alex (Kacey Mottet Klein) ein neues Leben als IS-Kämpfer wagen will. (Xenix)



Abschied, Aufbruch, Absturz


Ein Reiterhof in Südfrankreich. Die Besitzerin Muriel (Catherine Deneuve) freut sich auf ihren Enkel Alex (Kacey Mottet Klein). Er will nach Kanada auswandern, sagt er. Am Anfang ereignet sich eine Sonnenfinsternis. Sie kann vieles andeuten oder bedeuten: Verdunkelung, Auslöschung des Lichts, Düsternis. Es gab im Frühling 2015 eine Sonnenfinsternis, erklärt Regisseur André Téchine, und die erleben wir gleich zu Beginn. Aber dann entfaltet sich eine wunderbare Kirschblüte auf einem Landsitz. Muriel erwartet ihr erwachsenes Enkelkind Alex. Für ihn hegt sie grosse Sympathie, ja Liebe. Er gibt vor, nach Kanada auszuwandern, belügt und betrügt sie aber in Wahrheit. Es stellt sich heraus, dass er zusammen mit seiner Freundin Lila (Oulaya Amamra) heimlich nach Syrien reisen will, um dem Islamischen Staat zu dienen, angestiftet von radikalen Islamisten. Muriel bekommt Wind von dieser Flucht und setzt alles daran, diese fatale Irrfahrt zu verhindern.

Eine aktuelle Dramatik: Junge Menschen reissen aus, brechen alle Brücken hinter sich ab und glauben, im radikalen IS ihre Freiheit und sich selbst zu finden. In Téchinés Familien- und Beziehungsdrama fragt sich nicht nur die besorgte Besitzerin des Reiterhofs, weshalb der junge Alex konvertiert und sich auch von Fouad (Kamel Labroudi), Rückkehrer mit IS-Erfahrung, nicht belehren lässt.

Der Wunsch nach anderem Leben erklärt Alex' Verhalten ebenso wenig wie die romantische Dschihadisten-Hoffnung seiner Geliebten. Dieser Prozess zur Radikalisierung und irrgeleiteter Moral bleibt unerklärbar, nachvollziehbar aber ist das Verhalten Muriels, die ihren Enkel retten will.

Der Lausanner Kacey Mottet Klein («L'enfant d'en haut – Winterdieb», «Quand on 17 ans –Mit siebzehn», Regie: Téchiné) überzeugt als verunsicherter, scheinbar unschuldiger Sinnsuchender Alex. Und die grosse Dame des französischen Films, Catherine Deneuve, steht für eine Generation, die fassungslos zusehen muss, wie junge Leute sich in die Irre führen und verführen lassen, blindlings und freiwillig. Eine tragische Konfrontation, bei der das Ende offenbleibt. Packend. Bedeutet «L'adieu à la nuit» Abschied von der Nacht vielleicht auch Aufbruch und Ablösung, Läuterung (Licht) und Wendung? Es bleiben Zweifel.


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Frankreich 2019
104 Minuten

Regie: André Téchiné
Buch: Téchiné, Amer Alwan, Léa Mysius
Kamera: Julien Hirsch

Darsteller: Catherine Deneuve, Kacey Mottet Klein, Oulaya Amamra


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