Joan Baez – I Am a Noise

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Eine einzigartige Legende: Joan Baez. Ihre Sopranstimme geht durch Mark und Bein – bis heute. Sie war Menschenrechtlerin, Gefährtin Bob Dylans und grossartige Protestsängerin. (Xenix.)



Eine Stimme bewegt die Welt


Den Filmuntertitel «I am a Noise» kann man nur ironisch interpretieren. Oder anders gesehen: Joan Baez machte wirklich «Lärm», verschaffte sich Gehör mit ihrer einzigartigen Stimme, beispielsweise bei Protesten gegen den Vietnamkrieg und für Menschenrechte. Ihre Abschiedstournee vor gut fünf Jahren war quasi der Ausgangspunkt für den aktuellen Dokumentarfilm. Karen O’Connor ist eine langjährige Freundin der Sängerin. Sie hat zusammen mit der Dokumentarfilmerin Miri Navasky und der Singer-Songwriterin Maeve O’Boyle einen Dokumentarfilm geschaffen, der über die Karriere der Protestikone weit hinausgeht. Am Anfang steht das Wort von Gabriel José García Márquez: «Ein Mensch hat drei Leben: das öffentliche, das private und das geheime.» Und der Film – kein purer Musikfilm – bedient quasi alle drei Aspekte. Joan Baez, 1941 in New York geboren, wird im Januar 83 Jahre alt.

Der Film blendet zurück, beginnt mit ihrer Abschiedstournee 2018/19, zeigt die «Queen of Folk» an der Seite von Bob Dylan. Ihre Trennung verarbeitet sie 1975 im Album «Diamonds & Rust» (ihr grösster kommerzieller Erfolg). Sie war die Spitze, die Galionsfigur der Folkbewegung in den Sechzigerjahren, trat 1969 am Woodstock-Festival auf. Breiten Raum nehmen die Aktivitäten der amerikanisch-mexikanischen Protestsängerin ein, ihr Engagement für Menschenrechte und Bürgerrechtler, gegen den Vietnamkrieg und Rassentrennung wie auch ihre Auftritte. Der Dokumentarfilm reiht Schnipsel aus einer reichen, über fünfzigjährigen Karriere aneinander, zitiert Tagebücher und Therapieaufzeichnungen. «Joan Baez – I am a Noise» ist kein konventionelles Biopic, auch kein einfaches Musikporträt, eher das vielschichtige Bild eines Menschen mit tiefer Wirkung und Faszination. Dabei wünschte man sich mehr ungeschnittene Songs und Auftritte. Ihre Liaison mit Bob Dylan ist nur ein Kapitel. Anderes fehlt, wie beispielsweise ihr Engagement für Wolf Biermann in der DDR 1966 oder ihr Mitwirken 1971 bei Giuliano Montaldos Politdrama «Sacco e Vanzetti». Ihr Lied «Here’s to You, Nicola and Bart», komponiert von Ennio Morricone, wurde zur Hymne für Politopfer der Justiz.

Das Regieteam setzte den Filmschwerpunkt auf das «geheime Leben» der Künstlerin, ihre psychischen Probleme wie Lampenfieberattacken und Depressionen, beleuchtet ein dunkles Kapitel der Familiengeschichte. Der eigene Vater, so Baez, soll sie missbraucht haben. Dank der Offenheit Joan Baez‘ und Mitarbeit von Mimi Fariña, Joans Schwester, konnten die Filmerinnen ihre Tagebücher und Aufzeichnungen zahlloser Therapiesitzungen einsehen. Das alles fügt sich zu einem soghaften Stimmungs- und Zeitbild, schliesst mit dem Konzert ihre Abschiedstournee «Fare Thee Well» in Paris 2018. Das Leben, Wirken und Bestehen der charismatischen Aktivistin wird greifbar und verstärkt den Wunsch, ihre Stimme, ihre Songs wiederzuhören wie «The Night They Drove Old Dixie Down», «I Dreamed I Saw Joe Hill Last Night», «Donna Donna» oder «Farewell, Angelina».


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USA 2013
113 Minuten

Buch und Regie: Miri Navasky, Maeve O’Boyle, Karen O‘Connor

Kamera: Timothy Grucza, Wolfgang Held, Ben McCoy
Mitwirkende: Joan Baez, Mini Farina, Bill und Hillary Clinton, Bob Dylan, Patti Smith, David Harris


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