Il mangiatore di pietre

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Der junge Sergio (Vincenzo Crea) will raus aus dem Tal und setzt all seine Hoffnung auf den Schleuser Cesare (Luigi Lo Cascio). Der Polizeikommandant Boerio (Leonardo Nigro) ist im Drogenschmuggel verwickelt und verdächtigt Cesare des Mordes. (Cineworx)



Schleuser, Schlepper, Schmuggler


Ein Thema so alt wie die Menschheit: Flucht. Von der Bibel (Auszug aus Ägypten, Flucht der Heiligen Familie), den Flüchtlings- und Vertriebenenströmen im und nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu den Boat People und den Immigranten aus Afrika, Asien und im Nahen Osten heute. Das Thema Flüchtlinge nimmt kein Ende. Und viele können es nicht mehr hören oder missbrauchen es für ihre politischen Zwecke. Aber das ist ein anderes Thema.
 
In Nicola Belluccis Drama bleiben afrikanische Flüchtlinge in einer versteckten Berghütte nur Randfiguren. Im Zentrum stehen Einheimische. Dreh- und Angelpunkt ist ein Bergler, der selbstlos Menschen über die Grenze von Italien nach Frankreich geführt hat. Cesare (Luigi Lo Cascio) ist ein Menschenschmuggler in den Bergen Piemonts. Er wurde verhaftet, schweigt und deckt seine Kumpels. Während der Zeit im Gefängnis stirbt seine Frau. Cesare hat seinen Job als Schlepper an den Nagel gehängt, auch weil sein Neffe Fausto neben Menschen nun Drogen schmuggelt. Mit diesem schmutzigen Geschäft will er nichts zu tun haben.

Kaum entlassen, findet der Einzelgänger Faustos Leiche an einem Bach. Was ist geschehen? Der lokale Polizeikommandant Boerio (Leonardo Nigro), selber im Drogenhandel verwickelt, verdächtigt Cesare, und eine Kommissarin aus Mailand, Sonia di Meo (Ursina Lardi) nimmt ihn aufs Korn. Doch irgendwie vertraut sie ihm, lässt ihn seine eigenen Ermittlungen führen. Das ist gefährlich, auch weil die Drogenmafia Cesare davor drastisch warnt.

Allmählich kommt Licht ins Dunkel. Fausto hatte ein Verhältnis mit Ania (Lidiya Liberman), der schwangeren Frau des Sägereibesitzers Ettore (Bruno Todeschini), wollte wohl weg aus dem abseitigen Tal. Und da ist noch einer, der aus- und aufbrechen will. Der junge Sergio (Vincenzo Crea) schuftet bei einem Alten (Vater?), ihn zieht es zu seiner Mutter in Frankreich und in die persönliche (sexuelle) Freiheit. Sergio hat eine Flüchtlingsgruppe in einer entlegenen Berghütte entdeckt, vom (toten) Fausto im Stich gelassen hat. Er appelliert an Cesares Gewissen und animiert ihn, nochmals als Fluchthelfer und Schleuser aktiv zu werden.

Menschen zwischen den «Fronten» und Grenzen sind das Thema, auch des Romans «Der Steingänger» (2004) von David Longo. Er war die Basis für den Film «Il mangiatore di pietre». Eigentlich müsste er «Steinbeisser» heissen, denn er bezieht sich auf ein Ritual, das Schleuser praktizieren. Ein Neuling wie Sergio muss einen Kieselstein im Mund behalten, solange die Aktion dauert was so viel wie Steinbeisser heisst.

Filmer Nicola Bellucci aus Arezzo hatte bis dato Dokumentarfilme wie «Grozny Blues» realisiert. Nun also eine Flüchtlingsgeschichte aus anderer Perspektive. Sein Bergdrama, eine schweizerisch-italienische Koproduktion, ist sowohl Thriller wie Western – Flucht und Verfolgung, der «einsame Wolf» und das Duell im Schnee. Das Drama in winterlicher Gebirgsöde besticht durch eine authentische Kulisse (Bergwelt Piemont), eindringliche Schauspieler und eine komplexe Geschichte, die den Zuschauer auffordert, mitzudenken und Schlüsse zu ziehen. Grenzen werden überschritten, auch im übertragenden Sinn. Es ist auch die Tragödie eines Mannes, dessen Zeit abgelaufen ist und der sich aufopfert. Sergio steht für eine jüngere Generation, die aufbricht und sich befreit. In seiner Kargheit und Verschlossenheit mit seinen unausgesprochenen Gefühlen und vagen Hoffnungen ist «Il mangiatore di pietre» ein spannendes und denkwürdiges Werk über Opfer, Fluchten und Neubeginn.


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Schweiz/Italien 2018  
109 Minuten

Regie: Nicola Bellucci
Buch: Bellucci, Marco Colli
Kamera: Simon Guy Fässler

Mitwirkende: Luigi Lo Cascio, Vincenzo Crea, Bruno Todeschini, Ursina Lardi, Leonardo Nigro


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