Foudre

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Erdrückende Bergwelt. Novizin Elisabeth (Lilith Grasmug) muss das Kloster verlassen, um die Stelle ihrer toten Schwester im elterlichen Bergbauernhof einzunehmen. Sie stösst auf Grenzen und entdeckt das wahre Leben und Lieben ihrer totgeschwiegene Schwester. (Sister Distribution)


 
 

Von Last und Lust der Liebe

 
Ein karges Leben in den Bergen, bestimmt von strengen Regeln. Die Menschen in dieser abgeschiedenen Welt sind Einschränkungen, Massregeln und absoluten Glaubenssätzen ausgesetzt. Folgen sie ihnen nicht und brechen aus, werden ausgegrenzt, stigmatisiert, verfolgt. In diese gefühlsfeindliche Berggemeinschaft kehrt die siebzehnjährige Novizin Elisabeth (Lilith Grasmug) heim. Sie musste das Kloster verlassen, um die Stelle ihrer Schwester Innocente (Léa Gigon) im elterlichen Betrieb zu übernehmen. Ihre Arbeitskraft wird gebraucht. Der Name der Verstorbenen wird indes totgeschwiegen wie bei einer Verbannten, einer Aussätzigen. Elisabeth findet ein Tagebuch, in dem ihre Schwester Lust und Verlangen, die Entdeckung ihres Körpers und ihre sexuellen Erfahrungen beschreibt. Schicht um Schicht wird deutlich, dass die junge Frau sich ihren Gefühlen, ihrem Begehren hingab und mit jungen Burschen sexuelle Erfahrungen austauschte. Auf diese ihre Weise protestierte Innocente gegen Enge, Engstirnigkeit und verlogene Moral, sprengte ihre Fesseln. Elisabeth wird quasi angesteckt und folgt ihren Spuren. Sie sucht Wahrheit und Freiheit, findet zur Sinnlichkeit und lebt die Liebe.

«Foudre» ist ein sehr sinnliches und intimes Drama über Unterdrückung und spirituelle Suche, sexuelles Verlangen und Grenzen sprengende Liebe. Die Geschichte spielt zwar im Sommer 1900, ist aber zeitlos. Ein tiefgründiger Heimat- und Liebesfilm im besten Sinn – auch über eine konservative repressive Gesellschaft und über das Diktat der Religion. «Es war mir wichtig, dass die katholische Religion, die gerade für viele Frauen eng mit Gefühlen von Scham und Minderwertigkeit verbunden ist, die Grundlage des Films bildet», betont Autorin und Regisseurin Carmen Jaquier. «Mit ‚Foudre‘ möchte ich diese Frauen mit einer umfassenden Reflexion konfrontieren und sie zur Suche nach einer sanften, freundlichen und wohlwollenden Sexualität ermutigen – einer Rückkehr zu sich selbst, zum Körper, der wir sind, und zur Transzendenz.» Ihr Debütfilm zeigt keine Schweizer Idylle, ist herb und geschminkt, vielleicht seelisch, aber nicht stilistisch mit Fredi M. Murers «Höhenfeuer» verwandt. Die Wahlzürcherin aus Genf schuf ein eindrückliches Filmwerk über Selbstbefreiung und Emanzipation, das mit dem Filmpreis der Zürcher Kirchen im Oktober 2022 ausgezeichnet wurde.
 

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Schweiz 2022    
92 Minuten  

Buch und Regie: Carmen Jaquier
Kamera: Marine Atlan

Mitwirkende: Lilith Grasmug, Mermoz Melchior, Benjamin Python, Noah Watzlawick, Sabine Timoteo, Léa Gigon
 

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