Der Büezer

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Wie kann man als Büezer einer jungen Frau imponieren? Sigi (Joel Basman) versucht es bei der sympathischen Hannah (Cecilia Steiner) mit einer Lüge. (Milieu Pictures)



Schein schadet dem Sein


Es geht auch anders im Schweizer Film. Einfacher, grader, spontaner, gleichwohl sinnlich und sinnvoll. Das bewies Natascha Beller mit ihrer 30plus-Komödie «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei». Diese Schweizer Produktion musste ohne die geläufigen Fördergelder (Fernsehen, Bund, Kanton etc.) auskommen. In ähnlicher Spur bewegt sich der Erstling «Der Büezer» von Hans Kaufmann. Ausnahme bildete die Migros, ihr Kulturprozent half bei der Postproduktion mit 41 000 Franken aus. Zwei Freunde haben sich zusammen getan, der Werbefilmer Kaufmann und der Schweizer Kinostar Joel Basman («Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse»). Keine Zürcher Schickimicki-Szene, kein Bilderbuch-Bergdrama, keine Schweizer Clichés, kein Krimi, kein Klamauk.

Der Titel «Der Büezer» gibt die Richtung an: Es geht um grauen, handfesten Arbeitsalltag und um einen, der mittendrin steckt. Sanitärinstallateur Patrick Signer, genannt Sigi (Basman), ist ein unbeschriebenes Blatt, einer der auf sich allein gestellt ist, der mitläuft und wegen seiner Schüchternheit von Kollegen gehänselt wird. Gutmütig, naiv (fast) unverdorben – so hilft er auch mal «schwarz» dem «netten» Walter (Andrea Zogg) aus, wenn es in einer seiner Absteigen (für Huren) klemmt. Sigi läuft zufällig Hannah (Cecilia Steiner) über den Weg, als sie am Helvetiaplatz Zettel verteilt. Er läuft ihr nach, lässt sich zu einem Konzert in die Freikirche lotsen. Büezer Sigi will seiner «Flamme» imponieren, schämt sich als Arbeiter und gibt vor, Werbetexter zu sein. Das geht natürlich schief, und Sigi muss erkennen, dass Schein nicht über Sein hinwegtäuschen kann, dass die meisten Menschen durch ihren Beruf, ihre Berufung und Status allgemein und voreilig definiert werden. Da hilft selten eine Not-oder Lebenslüge.

Kaufmann und Basman schufen mit dem «Büezer» authentisches Kino ohne öffentliche Förderung – unspektakulär, milieugetreu, sensibel, unabhängig. Und der Zürcher Schauspieler Basman zeigt, dass er nicht nur an einer Schickse reift, sondern auch als Sanitärinstallateur dazugelernt. Seine Rollenliste ist imposant – national wie international. Erinnern Sie sich noch...?
Alles begann mit der TV-Serie «Lüthi und Blanc» (2004–2006). Ein paar Highlights: Als russischer Obdachloser überzeugte er 2008 im Berliner Szenefilm «Luftbusiness» von Dominique de Rivaz , wirkte beim Fernsehmehrteiler «Unsere Mütter, unsere Väter» (2013), verkörperte den Dichter Rainer Maria Rilke in «Paula», hatte Kurzauftritte im Ausbrecherabenteuer «Papillon» und im U-Boot-Drama «Kursk». Motti Wolkenbruch, den jüdischen Jüngling auf Liebesspuren, muss man gar nicht erwähnen. Und Joel Basman wird weiter für Furore sorgen, beispielsweise als Ausbrecherkönig Walter Stürm – im Kinojahr 2020.


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Schweiz 2019    
83 Minuten

Buch und Regie: Hans Kaufmann
Kamera: Pascal Walder

Darsteller: Joel Basman, Andrea Zogg, Cecilia Steiner, Manuel Löwensberg


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