Boléro

2024_06_10_Bolro_005jpg

Besessen: Komponist Maurice Ravel (Raphaël Personnaz) lebt mit und für die Musik. (Filmcoopi)

 

Rausch des Rhythmus

 
Ein betörendes Musikstück, das ins Ohr geht und sich eingräbt. «Ein einsätziger Tanz, sehr langsam und ständig gleichbleibend, was die Melodie, die Harmonik und den ununterbrochen von einer Rührtrommel markierten Rhythmus betrifft. Das einzige Element der Abwechslung ist das Crescendo des Orchesters», befand Komponist Maurice Ravel. 17mal wiederholt sich die Grundsentenz wie anschwellende Wellen.

Um 1927 bat die Tänzerin Ida Rubinstein (Jeanne Balibar) den Franzosen Ravel um ein Musikstück, das sie mit ihrem Ballett aufführen will. Komponist Maurice Ravel (Raphaël Personnaz), dazumal 52 Jahre alt, tat sich schwer. Er wollte das Klavierwerk «Ibéria» von Isaac Albéniz zur Grundlage nehmen und umschreiben. Es war nicht mehr greifbar, weil die Erben die Rechte weitergegeben hatten. Ravel quälte sich, futierte sich, vertröstete die Auftraggeberin. Doch seine russische Freundin, Ida Rubinstein, dazumal 43 Jahre alt, beharrte darauf.

Es ist ein langer, mühsamer Weg, den Ravel bewältigen muss, unerschütterlich an seiner Seite die gute Seele und Managerin Marguerite Long (Emmanuelle Devos) sowie die Muse Misia (Doria Tillier). Sie ist verheiratet mit einem Schwerenöter, liebt aber Ravel. Doch der eigenwillige Künstler bleibt bis auf einen flüchtigen Kuss auf Distanz. Er muss immer wieder herbe Enttäuschungen einstecken. Allein um den Prix de Rome hat er sich fünfmal beworben – und scheiterte. Anne Fontaine beschreibt in ihrem Spielfilm «Boléro» einen einsamen frustrierten Mann, der für und mit der Musik lebt. Für andere Lieben scheint da kein Platz. Genial ist der Einstieg: Ravel besucht wohl mit Misia eine Fabrik. Das Stakkato und Hämmern der Maschinen ziehen ihn in Bann und werden sich im Werk niederschlagen. Raphaël Personnaz als Ravel überzeugt bis zum letzten Takt.
 
Der Komponist bleibt skeptisch und verachtet seinen «Boléro», das Ballettstück wurde 1928 aufgeführt. Entsprechend den «Wilden Zwanzigern» inszeniert die Tänzerin Ida Rubinstein (1885 in Charkow geboren) den «Boléro» als laszives erotisches Ballett, in dem Männer wie Fliegen eine Tänzerin umkreisen – provokant und erotisierend. Auch Maurice Béjarts «Boléro»-Choreografie heute, vor zehn Jahren in der Pariser Oper inszeniert, orientierte sich am Original – freilich mit einem Mann (Nicolas Le Riche) im Zentrum, umringt von Männern.

Regisseurin Anne Fontaine konzentriert sich ganz auf das Werden und die Komposition des Boléro. Da wird Ravels Gesamtwerk zur Nebensache wie auch seine Lebensbegleiterinnen. Die Musik markiert sein Leben. Es schmerzte ihn, dass er auf dieses einzige Musikstück reduziert und quasi abgestempelt wurde. Erst spät schloss er mit seinem «Boléro» Frieden. Tragik und Triumph dieses Weltklassikers, der laut Abspann alle 15 Minuten auf der Welt gespielt wird, und seines Schöpfers werden mit Fontaines Film spürbar – nicht nur ein Fest und Ereignis für «Boléro»-Freunde.
 

 5_Star_Lionjpg

Frankreich 2024  
120 Minuten

Regie: Anne Fontaine
Buch: Fontaine, Claire Barré
Kamera: Christophe Beaucarne

Ensemble: Raphaël Personnaz, Doria Tillier, Jeanne Balibar, Emmanuelle Devos, Vincent Perez
 

Zurück