Verzweifelt: Charlie (Brendan Fraser) schämt sich seiner Körperfülle, hat sich abgeschottet und sucht Kontakt zu seiner Tochter Ellie (Sadie Sink). (Pathé Films)
Ein «Monster» in Not
Ein Koloss aus Fleisch und Geist: Charlie wirkt wie ein gestrandeter Wal. Er klebt wie ein praller Buddha in seinem Sessel, kann sich kaum bewegen und lehrt Englisch – online. Freilich gesichtslos, eben ohne Webcam. Denn er schämt sich seiner kolossalen Erscheinung. Charlie schleppt über 270 Kilos mit sich herum. Ein Gefangener seiner Fresssucht, die mit dem Tod seines Partners angefangen hat. Der Kummer hat ihn zerfressen – durch das Fressen. Charlie hat Familie und Tochter aufgegeben, weil er sich in einen Mann verliebt hatte. Nun sieht er einen Hoffnungsschimmer – im neuen Kontakt mit seiner 17jährigen Tochter Ellie (Sadie Sink). Die findet ihren Vater abscheulich, ein Gräuel, eine Zumutung, zumindest oberflächlich betrachtet. Aber der Fleischklos lockt mit Kohle, sprich 120’000 Dollar. Dass sich dazu ein Evangelistenspsycho namens Thomas (Ty Simpkins) einmischt, heitert das Beziehungsdrama nur partiell auf. Denn der falsche Missionsjüngling ist auch nur eine tragische Figur.
«The Whale» basiert auf dem Theaterstück von Samuel D. Hunter, verfilmt von Darren Aronofsky. Der Film ist denn durchwegs ein Kammerspiel, das allein schon durch die monströse, tragische Figur Charlie fesselt. Der 270-Kilo-Kerl wirkt abschreckend und bemitleidenswert zugleich. Mit unglaublichem Körper- und Maskeneinsatz wird Brendan Fraser zum voluminösen Charlie, der für jeden Drehtag rund vier Stunden in der Maske sass. Eine oscarreife Parforceleistung! Und tatsächlich, er gewann ihn als bester Darsteller. Der Film über Liebeskummer, Fresssucht und Kontrollverlust ist harte Kost, aber gerade wegen der stillen menschlichen Abgründe ein Kinoereignis.
USA 2022
117 Minuten
Regie: Darren Aronofsky
Buch: Samuel D. Hunter
Kamera: Matthew Libatique
Darsteller: Brendan Fraser, Sadie Sink, Hong Chau, Samantha Morton, Ty Simpkins
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