The Rider

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Eine wahre Geschichte mit wahren Helden: Brady Jandreau spielt sich selber und auch sein querschnittsgelähmter Freund Lane Scott braucht kein Double. (Cineworx)



Aus dem Sattel geworfen


Ein Mann, ein Pferd, ein Film – das muss etwas mit Western zu tun haben, wenn er dann noch in Dakota spielt. Die Regisseurin Chloé Zhao, in Peking geboren, in London und Kalifornien aufgewachsen, erzählt die Geschichte eines Rodeoreiters, der sich schwer verletzt und knapp am Tode vorbeigeschrammt ist. Und so beginnt der Film mit einem Verband, den Brady langsam abnimmt. Darunter sieht man Klammern, die den Schädel zusammenhalten. Beim Sturz wurde er vom Pferdehuf am Kopf getroffen. Man hat ihm eine Platte implantiert. Der passionierte Rodeo-Jungstar ist ans Bett gefesselt und sollte laut ärztlichem Befund nie wieder reiten, geschweige denn Rodeos bestreiten. Doch Brady Blackburn lässt sich nicht von Schläuchen und Prognosen fesseln. Er kehrt zurück auf die armselige Ranch – zu seinem desillusionierten Vater Wayne (Tim Jandreau) und seiner behinderten Schwester Lilly (Lilly Jandreau). Das Verhältnis zum Vater, der sein Heil beim Spielen sucht, ist eher kantig, grob, das zu seiner 15jährigen Schwester liebevoll und fürsorglich. Er kümmert sich um sie mit dergleichen Liebe und dem Verständnis wie bei Pferden. Das ist keineswegs despektierlich gemeint, sondern entspricht seinem Wesen. Er pflegt auch weiterhin Kontakt zu seinem Rodeo-Freund Lane (Lane Scott), der im Pflegeheim vegetiert und querschnittsgelähmt sich kaum verständigen kann.

Brady ist ein Pferdenarr und Pferdeflüsterer. Keiner versteht es wie er, selbst bockige Biester zu bändigen und das Vertrauen schwieriger, scheinbar unnahbarer Pferde zu gewinnen. Und nun wurde ihm mit dem Sturz der Boden unter den Füssen beziehungsweise Hufen weggezogen. Rodeo und Pferde sind für ihn lebenswichtig, geben ihm Lebenssinn. Sein Trost: Er ist gefragt als Zureiter und Pferdetrainer. Doch dann setzen ihm neue Nackenschläge zu. Erst verkauft sein Vater das geliebte Ross Gus, um Schulden zu tilgen, dann verdingt sich Brad als Angestellter in einem Supermarkt. Sein Vater besorgt ihm als Wiedergutmachung das Pferd Apollo, das Brad ins Herz geschlossen hat. Ein erneuter Sturz, dem auch Apollo zum Opfer fällt. Aus Trotz und Verzweiflung meldet sich der unverbesserliche, todunglückliche Reiter nochmals bei einem Rodeo an.

Ein Western aus unseren Tagen, wobei nur ein (Gnaden)-Schuss fällt. Es ist ein Drama mit Westernbildern (Kamera Joshua James Richards, der nur mit natürlichem Licht drehte) über Dakota, Männer am Rande, ihr Lebenssinn abseits der Konsumgesellschaft (deswegen wirkt Brad im Shoppingcenter auch so verloren und fehl am Platze), ihr Verständnis und Zugehörigkeit. Chloé Zhao beschreibt unspektakulär und fast beiläufig die Liebe von Mensch und Tier, von Vater und Sohn, Bruder und Schwester, die Geschichte von Verlust und Identität. Der Umgang der Rodeomänner, der Umgang mit Pferden scheint so weit weg von der urbanen Welt, und doch ist der Film in einer realen Welt verankert, im Pine Ridge Reservat, South Dakota. Das Wort authentisch wird oft überproduziert, doch hier trifft es den Kern. Brady Jandreau, ein Nachkomme der Lakota-Sioux-Indianer, und seine Familie spielen sich selbst wie auch Lane Scott (der allerdings infolge eines Autounfalls gelähmt ist). Das Haus der Jandreaus war Drehort, und Brady arbeitet tatsächlich als Trainer für Wildpferde.

Die hohe Qualität von «The Rider» basiert nicht nur auf dieser Nähe zur Wirklichkeit, zu den Menschen, sondern auch auf der Sensibilität der Regisseurin und ihrer Fähigkeit, die Seele, das Empfinden ohne grosse Gesten sichtbar und spürbar zu machen. Ein unvergleichlicher Neo-Western, von Wehmut und Liebe getragen, der u.a. anderem mit dem Werner-Herzog-Filmpreis ausgezeichnet wurde, der «Mut, Entschlossenheit und Visionen» honoriert. Zurecht.


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USA 2017
104 Minuten

Regie: Chloé Zhao
Drehbuch: Cloé Zhao
Kamera: Joshua James Richards

Darsteller: Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lilly Jandreau, Cat Clifford, Lane Scott


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