The Happiest Man in the World

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Glücksache: Frauen und Männer suchen in einem Speed-Dating-Treffen einen Partner, eine Partnerin. Asja (Jelena Kordiċ Kuret) begegnet dem Schützen, der sie im Krieg verletzt hat. (Trigon-Film) (Trigon-Film)



Von der Vergangenheit eingeholt


Wer kann das sein: «The Happiest Man in the World». Ein Glückspilz, ein Mensch, der mit sich im Reinen und vollkommen glücklich ist? Der Titel des Spielfilms ist doppeldeutig, vielleicht auch ironisch gemeint. Können Bekenntnis, Annäherung, Vergebung befriedigen, reinigen? Bietet sie die Chance, sich mit der Vergangenheit zu versöhnen?

Der Bosnienkrieg 1992 bis 1995 mag drei Jahrzehnte zurückliegen, und doch sind die Wunden nicht vernarbt, leben Opfer und Täter. Das Leben geht weiter, doch Schuld und Sühne (Vergebung) sind nicht eingelöst, nicht bewältigt. Die Vergangenheit lebt, nagt und ist nicht vergessen. Das trifft für Sarajevo ebenso zu bis später in der Krim, in der Ukraine, in jedem Krieg.

Asja (Jelena Kordiċ Kuret), Mitte 40, lebt in Sarajevo und sucht die Liebe, den Mann fürs Leben. Zu diesem Zweck nimmt sie an einem Dating-Treffen in einem schäbigen Hotel, Marke Achtzigerjahre, teil. Zwei Moderatorinnen teilen Männlein und Weibchen ein. Der Raum heisst «Zürich-Lounge». Könnte das eine Verheissung sein? Das Fragespiel beginnt zwischen der Rechtsberaterin Asja und dem ihr zugeteilten Zoran (Adnan Omeroviċ): Welche Jahreszeiten lieben Sie am meisten? Bevorzugen Sie Tag oder Nacht? Wen würden Sie gern treffen? Sie: Jesus, er: Kurt Cobain. Sie möchte eine Familie gründen, aber nicht mit einem verheirateten Mann. Er ist unbestimmt, unschlüssig in Lauerstellung. Die Distanz bleibt. Erst als die Vergangenheit ins Spiel kommt, wird es interessant. Sie wurde als junges Mädchen (16), genauer am 1. Januar 1993, von einem feindlichen Scharfschützen angeschossen. Und bald wird klar: Zoran war der Täter und sucht an diesem Kontaktanlass keine Partnerin oder Liebe, sondern Vergebung.
Die Filmerin aus Skopje, Teona Strugar Mitevska (48), hat zusammen mit Elma Tataragiċ das Drehbuch entwickelt, die selber bei der Belagerung von Sarajevo verletzt wurde und tatsächlich Jahre später auf ihren «Täter» traf. «Wir waren beide Teil des Landes Jugoslawien», erzählt Teona Strugar Mitevska. «Der Krieg beeinflusste unser Leben so oder so. Als wir das Drehbuch schrieben, haben Elma und ich viel recherchiert und vor Ort mit Menschen in Sarajevo Interviews geführt. Einige ihrer Erlebnisse sind ins Drehbuch eingeflossen. Erst in diesem Moment realisierte ich, wie unwissend ich war, wie wenig mir klar war, was Krieg eigentlich bedeutete. Man weiss nichts, wenn man all die Verheerungen nicht selbst erlebt hat.»

Es geht in ihrem authentisch wirkenden Spielfilm, in dem die über die Hälfte der Mitwirkenden Laien waren, nicht um Abrechnung und Rache, sondern um schlechtes Gewissen, Klärung, vielleicht Vergebung. Der damalige Schütze Zoran bedauert, bereut, sucht quasi Gnade vor Recht. Asja wird mit einer schmerzhaften Vergangenheit konfrontiert, alte Wunden brechen auf, und doch ist sie stark genug, ins Reine zu kommen. Am Ende tanzt sie wie befreit. Das Kammerspiel, das sich in Hotelräumen mit Städtenamen abspielt, legt nicht nur Emotionen und Verfehlungen frei, sondern spiegelt auch die Zerrissenheit einer geschundenen Stadt, die Nachwirkungen eines Krieges – tiefgreifend und ergreifend.


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Nordmazedonien 2022  
95 Minuten

Regie: Teona Strugar Mitevska
Buch: Mitevska, Elma Tataragiċ
Kamera: Virginie Saint Martin

Darsteller: Jelena Kordiċ Kuret, Adnan Omeroviċ, Labina Mitevska, Ana Kostovska


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