The Dead Don't Die

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Ein Untoter kommt selten allein. Die Cops Ronnie (Adam Driver), Mindy (Chloë Sevigny) und Cliff (Bill Murray) stehen einer massiven Horde von Zombies gegenüber. (UIP)



Wenn Untote nach Chardonnay lechzen


Sie sterben einfach nicht aus, seitdem sie von Georg A. Romero 1968 zum Leben erweckt wurden, die Untoten (the Dead), auch Zombies genannt. Seit Romeros Horrortrip «Night oft he Living Dead» bevölkern sie Kino. Nun erweist Kultmeister Jim Jarmusch («Down By Law», «Dead Man», «Only Lovers Left Alive») ihnen die Ehre. Er mischt das Genre der Untoten auf und lässt die Unersättlichen auf Provinzler los. Natürlich nicht ohne Hintergedanken und redlich böse Absichten. Die Welt steht auf der Kippe. Die von höchster Stelle (siehe US-Präsident) geleugneten Klimakatastrophe und allgegenwärtiger Konsumgier haben apokalyptische Wirkungen.

Aber bitte der Reihe nach. Im gemütliche US-Provinzstädtchen Centerville mehren sich merkwürdige Zeichen: Haustiere nehmen reissaus, es wird nicht mehr richtig Tag und nicht mehr richtig Nacht. Die Erde scheint regelrecht aus den Fugen geraten, offensichtlich weil an falscher Stelle gebohrt wird. Infolge dieses sogenannten «Polar Fracking» verliert die Erde ihre Balance – und die Toten ihre «ewige Ruhe». Sie steigen – natürlich bei Vollmond – aus den Gräber und machen sich breit. Zombies lechzen (bei Jarmusch) nicht nur nach Menschenfleisch, sondern auch nach ihren Lieblingsgetränken oder Spielarten (Comics). Ein Zombie (unverkennbar Iggy Pop) geifert nach Kaffee, die Untote Mallory (Carol Kane, «The Sisters Brothers») verlangt Chardonnay.

Fatal, wer einmal von den Zombies angeknabbert wurde, mutiert zum Zombie, so auch Farmer Bill (Steve Buscemi), Eisenwarenhändler Hank (Danny Glover), Kioskbetreiber Bobby (Caleb Landry Jones) oder die Café-Besitzerinnen Fern (Eszter Balint) und Lily (Rosal Colon). Bald sind die guten Cops Cliff (Bill Murray) und Ronnie (Adam Driver) samt Mindy (Chloë Sevigny) auf sich allein gestellt und einer Horde Zombies ausgesetzt. Fast keiner kann den schlurfenden, stolpernden und fleischgeilen Untoten entkommen, ausser Teenagern (Greta lässt grüssen!) und der Grüne, Waldguru Bob (Tom Waits, als eine Art pelziger Einsiedler kostümiert), der die Vorgänger beobachtet und kommentiert. Sein Fazit: «Die Welt ist kaputt.» Ja aber… Am Ende gibt's noch eine überraschende «Erleuchtung» in Gestalt der Seherin und schottischen (!) Bestatterin Zelda (Tilda Swinton), die ein Samurai-Schwert führt, als hätte sie schon bei Jarmuschs Killermovie «Ghost Dog: The Way of the Samurai» mitgewirkt.

Wenn Jim Jarmusch vom Leder zieht, werden verschiedene Saiten gezupft, Töne angeschlagen und Genre gemixt. Cop Ronnie Peterson beispielsweise liebt den Countrysänger Sturgill Simpson aus Kentucky (den es wirklich gibt) und seinen Song «The Dead Don't Die» (der dem Film den Titel gab, wie er sagt). Einer der Cops, angesprochen auf das Ende, meint lakonisch: «Ich weiss es, ich kenne das Drehbuch.» Ein typischer Jarmusch. Trockener Humor wechselt mit makabren Schüben, Schrecken mit Schalk. Bei aller Fresslust fliesst kaum Blut, und die Zombie zerfallen zu Staub, wenn man sie köpft. Wie tröstlich! Jarmuschs horrende Metapher auf die Konsum- und Klimaapokalypse ist sowohl Geisterbahnfahrt als auch todernste Gesellschaftskritik – mit grossem Aufgebot. Und der sarkastischen Erkenntnis: Wir sind doch alle Zombies, die sich zerfleischen, zerfressen von Gier. Na dann guten Appetit.


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USA 2019  
105 Minuten

Buch und Regie: Jim Jarmusch
Kamera: Frederick Elmes

Darsteller: Adam Driver, Bill Murray, Chloë Sevigny, Steve Buscemi, Tom Waits, Danny Glover, Caleb Landry Jones, Tilda Swinton


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