Sorry We Missed You

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Wie sag ich's meinen Kindern? Ricky (Kris Hitchen) jobbt als Paketbote und steht unter Dauerstress. (Filmcoopi)



Ein alltägliches Drama


Ein typischer Ken Loach. Der britische Altmeister taucht wieder tief in die Ränder der Gesellschaft – wie letztlich in «I, Daniel Blake». Ricky Turner (Kris Hitchen) und seine Frau Abbie (Debbie Honeywood) versuchen mit Ach und Krach, die Familie mit zwei Kindern im Teenageralter über Wasser zu halten. Man schreibt das Krisenjahr 2008 (unter Tony Blair). Ricky jobbt als Gelegenheitsarbeiter, sie als Altenpflegerin. Das Leben in Newcastle ist kein Zuckerschlecken. Hoffnung keimt auf, als Ricky den Job als Kurier eines Paketdienstes ergattert. Freilich als Freiberuflicher, das heisst als Franchise-Nehmer, er muss selber einen Lieferwagen (Van) anschaffen und für Risiken selbst aufkommen. Diese «Unabhängigkeit» kommt ihn teuer zu stehen. Die Bedingungen sind hart und kennen keine Gnade. Ein Ausfall kann den Absturz bedeuten.

Der Titel «Sorry We Missed You» stammt von einem Zettel, den Paketboten an die Haustür heften, wenn sie die Adressaten nicht antreffen. Man kann ihn natürlich auch anders deuten: Sorry, wir haben es verpasst oder vermasselt. Familienvater Ricky strampelt sich ab und kriegt doch kein Bein auf die Erde. Ken Loach, der über achtzigjährige Altmeister des sozialkritischen Alltagsdrama, kritisiert das englische Sozialsystem und beschreibt einen Überlebenskampf, indem er wie bei «I, Daniel Blake» sein ganzes Augenmerk auf Verlierer lenkt und ihren grauen Alltag schildert. Die harschen Bedingungen – jede Verzögerung bei der Auslieferung wird mit drakonischen Sanktionen gebüsst – zermürben, der Zeitdruck stresst. Da geht jedem der Schnauf aus. Dennoch, auch in Loachs heftigem und gradlinigem Sozialdrama voller menschlicher Wärme, Galgenhumor und Verzweiflung funkeln kleine Hoffnungsschimmer. Das beschönigt nicht, tröstet aber.


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Grossbritannien 2019  
100 Minuten

Regie: Ken Loach
Drehbuch: Paul Laverty
Kamera: Robbie Ryan

Darsteller: Kris Hitchen, Debbie Honeywood, Rhys Stone, Katie Proctor


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