Sisi & ich

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Verbunden: Hofdame Irma, Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller, Bild oben links), verliebt sich in die Kaiserin Elisabeth von Österreich (Susanne Wolff), die gern abseits vom Kaiserhof in Wien auf eigenen Pfaden wandelt. (DCM Film Distr.)

 

Liebes- und Befreiungsakt

 
So weit weg vom Hof wie nur möglich. Kaiserin Elisabeth von Österreich, besser bekannt als Sisi, geniesst das Leben wie ein freier Vogel in einer Art Frauenkommune auf Korfu – ohne Etikette, ihren Kaiser, Kinder und höfische Verpflichtungen. Die berühmte, begehrte Regentin ohne Herrschaftsambitionen ist noch keine 30 Jahre alt. Ihre neue Hofdame, die Ungarin Irma Gräfin von Sztáray, verliebt sich in die «entfesselte» Kaiserin. Mal taucht Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich (Georg Friedrich), auf, der Bruder des Kaisers, ein lebenslustiger  Schwerenöter, bekannt für seine Eskapaden. Der animiert in der Mittelmeeridylle die Damen zu einem Theaterspiel, bei dem auch Irma widerwillig mitspielen muss. Doch das vogelfreie Leben und flüchtige Müssiggang hat ein Ende, als Pflichten, sprich der Kaiser Franz Joseph (Markus Schleinzer) ruft. Die kränkliche Kaiserin ist am Hof erwünscht. Dort sorgt sie für den einen oder andere unpässlichen Auftritt, missachtet Etikette und verweigert ihrem Gemahl seine Eherechte, sprich Bettvergnügen.

Wenn immer möglich, meidet sie das Hofleben, geht auf Reisen – nach Nordafrika, Troja oder nach England, wo sie ihrer Passion dem Reiten zu frönen. Sie schäkert mit dem jungen attraktiven Captain Smythe (Tom Rhys Harries), hält ihn aber an der langen Leine. Und immer ist Hofgefährtin Irma dabei, die sich verletzt und ausgenutzt fühlt. Die will ihren eigenen Weg gehen, aber … Die Reise der Kaiserin führt letztlich an den Genfersee, wo sie ihr Schicksal ereilt. Sisi ist 60 Jahre alt und wird Opfer einer Attacke. Merkwürdigerweise wird in diesem Film angedeutet, dass der Täter eine Täterin ist? Liebe bis zum Tod? Historisch belegt ist freilich, dass der italienische Anarchist Luigi Lucheni eine spitze Feile ins Herz stiess. Dieser Spielfilm nimmt sich einige «schöpferische» Freiheiten heraus, was dem Gehalt und der Qualität keinen Abbruch tut.
 
Sisi oder Sissi (so in der «Sissi»-Trilogie von Ernst Marischka) ist ein Evergreen. Nach den Romanzen mit Romy Schneider in den Fünfzigerjahren, Satiren, Anlehnungen und Trickfilmen gab es in jüngster Zeit auch Fernsehserien und den Spielfilm «Corsage» (2022) von Marie Krieps, der bereits die Befreiung von Etikette und Korsett thematisierte. Frauke Finsterwalders Version «Sisi & ich» setzt neue Massstäbe. Natürlich steht die Kaiserin im Blickpunkt, doch eigentliche Heldin ist ihre Weggefährtin Irma, die Gräfin, die sich in ihre Herrin verliebt hat und leidet. Die Hofdame hat tatsächlich gelebt (1864–1940). Ihre Liebe ist wohl der Phantasie zuzuschreiben.

Zusammen mit ihrem Mann, dem Schweizer Christian Kracht, Schriftsteller und Journalist, hat Finsterwalder das Drehbuch entwickelt und schildert den letzten Lebensabschnitt der Kaiserin aus der Sicht Irmas, verkörpert durch Sandra Hüller. Die Schauspielerin, die vor allem durch ihren Part in «Toni Erdmann» bekannt wurde und bereits in «Finsterworld» mit Regisseurin Franke Finsterwalder zusammengearbeitet hatte, fasziniert als unglückliche Zofe im Schatten der Glamourgestalt. Der Schauspielerin aus der ostdeutschen Kleinstadt Suhl wurde am Filmfestival Max Ophüls 2023 in Saarbrücken eine Tribute-Reihe gewidmet. Mit Susanne Wolff erleben wir eine verstörende und spleenige Kaiserin, die sich emanzipiert, ohne jedoch ihres Standes, ihrer Bestimmung zu entkommen.

«Sisi & ich» ist eine Entdeckung im Kino, kostümgerecht, aber mit gewissen Freiheiten, befreit von Schmalz, aber nicht von Schmerz. Die internationale Koproduktion (Deutschland, Österreich, Schweiz) wurde im Sauerland und in Bayern, auf Malta, in Wien und in der Schweiz realisiert. Kurze Auftritte haben auch Hope, Tochter der Regisseurin, als Reiterin in England sowie der Berner Stefan Kurt als Höfling Graf Berzeviczy.
 

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Deutschland/Österreich/Schweiz 2023    
132 Minuten
 
Regie: Frauke Finsterwalder
Buch: Finsterwalder und Christian Kracht
Kamera: Thomas Kiennast

Darsteller: Sandra Hüller, Susanne Wolff, Georg Friedrich, Stefan Kurt, Sophie Hutter, Johanna Wokalek, Angela Winkler, Markus Schleinzer, Tom Rhys Harries
 

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