Mare

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Dem Begehren nachgeben: Mare (Marija Škaričić), sorgende Mutter und Ehefrau, verliebt sich in den jungen Nachbarn Piotr (Mateusz Kościukiewicz, Bild oben). (Frenetic Films)



Frau und Familie: Kleine Fluchten


Frau, Familie und Routine: Das kann's doch nicht gewesen sein. Das sagt sich auch Mare (Marija Škaričić). Sie hat einen «abgelöschten» Ehemann, drei Kinder im Teenageralter, sie liebt ihre Familie, lebt am Rande des Flughafens von Dubrovnik und hat Sehnsüchte. Der Alltag, die Ehe ist zur Routine geworden. Ihr Mann Duro (Goran Navojec, Ehemann der Hauptdarstellerin) ist eben nur noch Teil einer Zweckgemeinschaft, die Leidenschaft ist erloschen. Das Meer in der Nähe und der Flughafen vor der Haustür wecken Sehnsüchte in Mare. Sie möchte die Eintönigkeit des Alltags durchbrechen, wieder einen Job haben und alte Freiräume neu erobern. Als sie eines Tages Kontakt zum jungen polnischen Nachbarn Piotr (Mateusz Kościukiewicz) knüpft, gibt sie ihrem Begehren nach.

Die Luzernerin Andrea Štaka, 2006 Schweizer Gewinnerin des Goldenen Leoparden von Locarno mit «Das Fräulein», knüpft mit «Mare» an alte Themen an – wie Frausein, Freiheit, Heimat, Orientierung. Der Filmtitel ihres jüngsten Werks weist auf das Meer (bei Dubrovnik), aber vor allem auf die Hauptfigur hin. Štaka, liiert mit dem Filmemacher Thomas Imbach, greift gern auf ihr bekannte Kräfte zurück und hat die Hauptrolle Marija Škaričić («Das Fräulein», «Cure-das Leben einer anderen») auf den Leib geschrieben. Mares Kinder werden übrigens von der Nichte und zwei Neffen der Regisseurin gespielt. Mare spürt, dass sie an einem Wendepunkt steht – hier die Familie, die sie liebt und bindet, dort die Sehnsucht nach Freiheit, Unabhängigkeit und ein ungestilltes Verlangen. In Mare stecke auch ein Stück von ihr selbst, gesteht Štaka: «Wir befinden uns im ambivalenten Raum von Beziehungen und Intimität. Sie liebt ihren Mann und begehrt auch einen anderen, sie liebt ihre Kinder, gleichzeitig sind sie ihr fremd.»

Eine Frau sucht ihre kleinen Fluchten, Freiheiten, ist sich ihrer Familienverantwortung bewusst und wagt gleichwohl den Seitensprung. Es bleibt offen, ob ihr dieser Spagat letztlich gelingt. «Mare» ist ein intimes, ein inneres Drama, mit jeder Faser überzeugend verkörpert durch Marija Škaričić. Kein Hochglanzkino, kein Glamour, keine hochdramatische Zuspitzung. Andrea Štaka bevorzugte Handkamera, spröde Bilder und einfache Einstellungen. Das macht diese Geschichte einer Frau auf der Schwelle zur «Befreiung» authentisch und überzeugend.


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Schweiz/Kroatien 2020
84 Minuten

Buch und Regie: Andrea Štaka
Kamera: Erol Zubčević

Darsteller: Marija Škaričić, Goran Navojec, Mirjana Karanović, Mateusz Kościukiewicz


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