Loveless

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Mitten im Rosenkrieg verschwindet der zwölfjährige Aljosha (Matwei Nowikow), er hat die Nase voll vom Streit seiner Eltern. (Cineworx)



Der verlorene Sohn


Wie hält ein Kind das aus, wenn sich die Eltern permanent streiten und eine Scheidung anstreben. Der zwölfjährige Aljoscha wird zum Streitgut. Wer soll für ihn sorgen? Irgendwann hat der Knabe die Nase voll und verschwindet in Moskau und Umgebung. Und die Eltern müssen sich kümmern, sie werden auf sich und ihr Leben zurückgeworfen. Der Vater Boris (Alexei Rosin) lebt mit seiner schwangeren Freundin zusammen, und Schenja (Marjana Spiwak), die Mutter, wirft sich gern in Pose und hat sich einen anderen Mann geangelt. Sohn Aljoscha (Matwei Nowikow) geht praktisch vergessen, bis er eines Tages reissaus nimmt. Erst dann werden sich die Eltern bewusst, dass ihr Sohn, zwischen die Räder der Scheidung geraten ist.

Es spielt eigentlich keine Rolle, was mit dem Ausreisser passiert ist. Er ist nicht nur Opfer einer Krise, sondern wird zum Sinnbild einer verbürgerlichten russischen Gesellschaft, die zerfällt, die den eigenen Vorteil, das eigene Befinden und die Befriedigung vor allen anderen sozialen Bedürfnissen und Verantwortung stellt. Die Liebe ist abhandengekommen, es herrscht «Loveless», Lieblosigkeit.
Die Eltern vermuten ihren Sohn bei der Grossmutter. Vergebens. Im Gegenteil, Schenja wird von ihrer Mutter als «Monster» beschimpft. Die Suche nach dem Knaben nimmt sich überhaupt lieblos aus (der Polizei fehlen die Kräfte oder der Wille), die Mutter hätte Aljoscha dazumal lieber abgetrieben, und die trostlose Umgebung tut das Ihre. Erst eine zivile Organisation kümmert das Schicksal des Kindes und wird aktiv.

Die Geschichte spielt sich zwischen 2000 und 2012 ab, signalisieren am Schluss einige Flugblätter. In der Gegenwart ist Boris wieder Vater geworden, und Schenja posiert in einer Luxuswohnung. Andrei Swiaginzew (Regie und Buch) beschreibt eine trostlose, dem Kommerz verfallene Gesellschaft. Sein Film ist Thriller, aber vor allem eine Fallstudie über brüchig gewordene Familienbeziehungen und den Mittelstand. Dazu passen die tristen Bilder des Kameramanns Michail Kritschman (Europäischer Filmpreis), die phasenweise an Andrei Tarkowski erinnern. «Loveless» wurde in Cannes 2017 mit dem Preis der Jury ausgezeichnet.


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Russland 2017
127 Minuten

Regie: Andrei Swjaginzew
Drehbuch: Oleg Negin
Kamera: Michail Kritschman

Darsteller: Marjana Spiwak, Alexei Rosin. Matwei Nowikow


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