Les Misérables

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Flics geraten in die Bredouille. Stéphane (Damien Bonnard), Chris (Alexis ManentI) und Gwada (Djibril Zonga, von links) ziehen den Zorn der Jugendlichen auf sich. (UPI)



Stich ins Wespennest


Hier herrscht das Gesetz der Strasse oder des Stärkeren – in Vororten wie Montfermeil (bei Paris). Leicht kann ein Funken in dieser Multikultigesellschaft ein Feuer entfachen, besonders wenn die Staatsgewalt das Mass und die Kontrolle verliert und provoziert.
Stéphane (Damien Bonnard) hat sich einer Sondereinheit der Polizei zuteilen lassen. Dort ist er der «Neuling», der von seinen Teamkollegen, dem weissen Anführer Chris (Alexis Manenti) und dem schwarzen Partner Gwada (Djibril Zonga), gehänselt und nicht für voll genommen wird. Es ist die Zeit der Fussball-WM 2018. Frankreich siegt und das Land ist in euphorischer Stimmung. Das Flic-Trio geht auf Pirsch, streift mit dem Streifenwagen durchs Quartier, das von dem selbsternannten Bürgermeister (Steve Tientcheu) und dem Muslimführer Salah (Almany Kanoute) mehr oder weniger kontrolliert wird. Macho Chris provoziert gern, markiert den starken Mann.
Ein kleiner Vorfall eskaliert: Der Strassenjunge Issa (Issa Perica) klaut ein Löwenbaby aus dem Zirkus, der Anführer der Zirkusleute, ein Zigeuner, beschwert sich bei der Polizei und droht den Quartierführern, wenn nicht sofort das Löwenbaby …

Irgendwie kommen die drei Polizisten dem minderjährigen Issa auf die Spur, verfolgen ihn, dabei verletzt Gwada den Dieb mit einem Gummigeschoss. Den Vorfall filmt der junge Buzz (Al-Hassan Ly) mit einer Drohne. Gwada und seine Kumpel stecken in der Klemme. Wenn das herauskommt … Es rumort im Quartier. Die Auseinandersetzung zwischen Kids und Flics eskaliert. Die Flics werden in eine Falle gelockt.

Der Spielfilm von Ladj Ly (Regie, Drehbuch) beruht auf eigenen Erfahrungen und tatsächlichen Begebenheiten. Ly ist in Montfermeil aufgewachsen und sein Film erinnert an die Unruhen im Jahr 2005. Der Filmer hatte zuvor verschiedene Ereignisse dieser Art dokumentiert («365 Tage in Clichy-Montfermeil»). So entstand ein sehr realistisches, dokumentarisches Drama, in dem Recht und Gesetz aus dem Ruder laufen und verschiedene Welten aufeinanderprallen. Ladj Ly nimmt dabei überwiegend die Perspektive der Polizisten ein, ohne sie zu schützen. Es bleibt offen, ob am Ende Gewalt oder Einsicht siegen oder ob es zum Stillstand kommt. Die von der Politik vernachlässigten Probleme bleiben: Armut, Arbeitslosigkeit, soziale Missstände und Perspektivlosigkeit in den Multikulti-Vorstädten, wo teilweise dreissig Nationalitäten Seite an Seite existieren müssen.

Ein schonungsloser Spielfilm nahe an der Realität, der von Frankreich für den Oscar angemeldet wurde. Der Filmtitel «Les Misérables» bezieht sich augenscheinlich auf den Roman von Victor Hugo («Die Elenden»), der 1862 in Montfermeil spielt, hat aber mit diesem Buch nichts zu tun, schon gar nicht mit dem Musical und der Verfilmung (2012) .  


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Frankreich 2019    
109 Minuten

Buch und Regie: Ladj Ly mit Girodano Gederlini und Alexis Manenti (beide Buch)
Kamera: Julien Poupard

Mitwirkende: Danien Bonnard, Alexis Manenti, Djibril Zonga, Issa Perica, Al-Hassan Ly


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