Lara

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Ein gespanntes Verhältnis: Viktor (Tom Schilling) ist auf Distanz zu seiner Mutter Lara (Corinna Harfouch) gegangen, der ehemals hochbegabten Klavierspielerin, die einen «falschen» Lebensweg eingeschlagen hat. (Pathé Films)


Misstöne und Missverständnisse


Runde Geburtstage sind so eine Sache – im Leben und im Kino. Solche Feiertage und Jubiläen sind beliebte Situationen und Sujets in Gesellschaftsfilmen, etwa in Christoph Schaubs «Giulias Verschwinden» (2009). Dazumal sollte Giula ihren 50. Geburtstag feiern und verschwand. Corinna Harfouch spielte die Hauptrolle, und sie tut es jetzt wieder als «Lara» in Jan-Ole Gersters Beziehungsdrama. Lara ist es nicht ums Feiern zumute an ihrem 60. Geburtstag, im Gegenteil, sie unternimmt einen halbherzigen Selbstmordversuch.

Wir erleben einen Tag im Leben der Lara Jenkins (Harfouch). Er sagt viel über das fehlgeleitete Leben der frühpensionierten Beamtin aus, die, einst hochbegabt als Klaviervirtuosin, einen anderen «falschen» Lebensweg eingeschlagen hat und gegangen ist. Lara ist hart, sarkastisch, ja zynisch und einsam geworden. Ihr Herz gehörte einst der klassischen Musik (und es gehört ihr wohl noch immer). Und das hat sie ihrem Sohn Viktor (Tom Schilling) eingeimpft. Sie hat ihn unterrichtet, drangsaliert, animiert, forciert – deutet der Film an. Und tatsächlich hat der sich zu einem exzellenten Klavierspieler entwickelt, mehr noch, er wird seine erste eigene Komposition in einem Berliner Konzertsaal vorstellen. Die Mutter verweigert die Anteilnahme (ist sie überhaupt eingeladen?), bezweifelt das Können ihres Sohnes und stürzt ihn in eine Krise. Doch eigentlich ist es Lara, welche die eigene Lebenskrise nicht wahrhaben will.

In der schwarzweissen Tragikomödie «Oh Boy» von 2012 driftete Niko alias Tom Schilling haltlos, ziellos durch Berlin. In «Lara» hingegen hat Viktor ein Ziel, er will sich und seiner Mutter beweisen, dass er sich frei geschwommen hat und vollendet, was seine Mutter nicht geschafft hat, nämlich sich zu verwirklichen. In diesem Beziehungsdrama, getragen von zwei herausragenden Protagonisten, kommt eine private Tragödie ans Licht. Lara hat nicht an sich geglaubt und fühlte sich vom flüchtigen Urteil eines Musikprofessors (Volkmar Kleinert) grundsätzlich infrage gestellt. Sie ist verhärmt, verbittert – eine Verliererin, die sich leichtsinnig aufgegeben hat.
Darüber zeichnet Gerster auch das Porträt eines Gesellschaftskonflikts, hier der Glaube an Autorität und Genie, dort der Wille zur freien Entfaltung und Selbstverwirklichung. Ein bitterer schmerzhafter Konflikt – auch zwischen Mutter und Sohn. Und bestes intimes Kino.


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Deutschland 2019    
98 Minuten

Regie: Jan-Ole Gerster
Drehbuch: Blaž Kutin
Kamera: Frank Griebe

Darsteller: Corinna Harfouch, Tom Schilling, Hildegard Schroedter, Susanne Bredehöft, Steffen Jürgens


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