Jeanne

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Sie kämpft um ihren Glauben gegen überhebliche Kirchenmänner: Jeanne (Lisa Leplat Prudhomme) lässt sich nicht brechen. (Outside the Box)


Ein Teenager wird angeklagt

Sie ist bekannt wie Freiheitsheld Wilhelm Tell oder Marianne, die Nationalfigur der Französischen Revolution: Jeanne d'Arc. Kaum eine andere Persönlichkeit, abgesehen vielleicht von Jesus, Napoleon und anderen Gestalten aus der antiken Mythologie, hat Filmschaffende so sehr fasziniert wie die französische Nationalheroin Jeanne d'Arc. Carl Theodor Dreyer (1928), Luc Besson (1999) und Robert Bresson (1962) haben den Prozess und das Martyrium der jungen Frau verfilmt. Sie, die Jungfrau von Orleans, fühlte sich, so die Geschichtsschreibung, zur Heerführerin berufen und engagierte sich 1429/31 für ihren französischen König im Krieg gegen die englischen Besetzer. Diese «Anmassung» wurde ihr dann – nach einer Niederlage auf dem Schlachtfeld – zum Verhängnis. Jeanne wurde wegen Häresie von Kirchenbonzen der Prozess gemacht.
Die jüngsten Filmversionen stammen von Bruno Dumont, der 2017 in einer Art Musical «Jeanette – Die Kindheit der Jeanne d'Arc» verfilmte. Nun hat er nachgedoppelt mit derselben Hauptdarstellerin Lise Leplat Prudhomme (12). Sein spröder Spielfilm «Jeanne» zeigt im Prinzip nur zwei Schauplätze, die Dünen und Festungsbunker in der Normandie sowie die Kathedrale von Rouen. Schlachtszenen werden durch ein Reiterballett symbolisiert, Folterwerkzeuge gezeigt (nicht aber sichtbar angewendet) und Jeanne d'Arcs Ende auf dem Scheiterhaufen ist eine Silhouette in den Dünen (ohne Publikum wie in Wirklichkeit). Ein Brandzeichen aber, das sich auch so stark einprägt.

Das sehr eigenwillige, hoch stilisierte Drama präsentiert sich als dialogschweres Konversationsstück. Es lehnt sich an Dumonts ursprüngliche Musical (2017) an, das auf dem Stück von 1897 über Jeannes Kindheit von Charles Peguy basiert. Auch jetzt sind wenige poetische Lieder zu hören. Sie wirken befremdend, sogar peinlich, wenn einem alten Mönch eine kindliche Stimme zugeordnet wird.
In Dumonts «Jeanne» verkörpert ein Kind (Teenager) die Jungfrau von Orleans. Es geht stoisch und sehr erwachsen seinen Leidensweg und bietet alten überheblichen Kirchenmännern Stirn. Der schier emotionslose Spielfilm führt auch den absolutistischen Anspruch einer Männerkirche vor, deutet die Zerrissenheit einer gläubigen Seele an, die sich nicht beugen und verbiegen lässt und die Ohnmacht der Unschuld gegen Machtdünkel duldsam erträgt.
Das ist eine der Stärken dieses Filmmanifests. Hochartifizielles, aber auch bemühendes und übertriebenes Kino, das keinerlei Kompromisse gegenüber Zuschauer kennt. Es inszeniert und zelebriert das Bildnis einer junge Frau und Kämpferin, die sich auf göttliche Eingebung und ihren eigenen Glauben (und nicht der Kirche) beruft. Dabei steht die Katholische Kirche am Pranger, ihr wird hier der Prozess gemacht.

Den Film kann man im Heimkino (Streaming) sehen (für 10 Franken), dank Verleiher Outside the Box und neun Schweizer Kinos.  www.outside-thebox.ch     
                
Tipp nebenbei: Das schönste und ergreifendste Lied über «Joan of Arc» stammt von Leonard Cohen und wurde von ihm mit Jennifer Warnes interpretiert.  

 
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Frankreich 2019
137 Minuten

Buch und Regie: Bruno Dumont
Kamera: David Chambille

Darsteller: Lisa Leplat Prudhomme, Annick Lavieville, Justine Herbez, Benoît Robail, Alain Desjacques, Serge Holvoet


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