J'accuse

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Unschuldig verurteilt: Hauptmann Alfred Dreyfus (Louis Garrel) wird der Spionage bezichtigt und auf die Teufelsinsel (Französisch-Guayana) verbannt. (Frenetic Films)



Ein Justizfall von gestern für heute


Was hat uns eine Justizfarce aus dem 19. Jahrhundert heute noch zu sagen? Roman Polanski hat die Probe aufs Exempel gemacht und den Fall Dreyfus erneut fürs Kino aufgerollt. Allen Querelen, Vorwürfen und Anfeindungen zum Trotz wurde Roman Polanskis neustes Werk «J'accuse – Intrige» am Filmfestival Venedig 2019 gefeiert und mit dem Silbernen Löwen (Grosser Preis der Jury) ausgezeichnet. Ein Historiendrama mit aktuellen Bezügen.

Militärköpfe schmiedeten ein Komplott gegen einen jüdischen Offizier der französischen Armee: Alfred Dreyfus soll Spionage für Deutschland betrieben haben. Man erinnere sich: Frankreich hatte den Krieg gegen den Nachbarn 1870/71 verloren, und Deutschland den Gegner gedemütigt, indem es das neue Kaiserreich auf besiegtem Boden proklamierte – in Versailles. Der Hass sass tief. Eine Todsünde in Frankreich – wer dann für den Erzfeind arbeitete.

Die Spionageabteilung hatte den jungen Hauptmann Alfred Dreyfus (Louis Garrel) ins Visier genommen und ihm mit vagen, teils falschen Indizien den Prozess gemacht. Degradiert, entehrt, gedemütigt wurde Dreyfus 1894 verurteilt und auf die Teufelsinsel (Französisch-Guayana) im Atlantik verbannt. Ausgerechnet dem neuen Leiter der militärischen Spionageabwehr, Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin), ist das ganze Verfahren suspekt, besonders als weitere militärische Geheimnisse scheinbar verraten werden, obwohl Dreyfus längst aus dem Verkehr gezogen wurde. Er beginnt nachzuforschen und kommt einem militärischen Komplott auf die Spur.

Aus seiner Perspektive beschreibt Roman Polanski (Regie, Buch mit Robert Harris) diesen historischen Justizskandal, der ein markantes Beispiel für aufkeimenden Antisemitismus im 19. Jahrhundert darstellt. Und das führt Altmeister Polanski subtil und engagiert vor Augen. Er selbst hat einen Cameoauftritt bei einem Konzert, wie auch seine Frau Emmanuelle Seigner als Pauline Monnier, eine Gefährtin von Dreyfus.

Das packende Historiendrama – ohne Staub und Schminke – verweist auch auf unsere Gegenwart, auf grassierende Rassenvorurteile und intrigante Machenschaften – egal ob auf politischer, gesellschaftlicher oder juristischer Bühne.

Der Originalfilmtitel «J'accuse» bezieht sich auf einen Artikel des Schriftstellers Emile Zola, der 1898 in der Tageszeitung «L'Aurore» erschien, für Aufsehen sorgte und einiges in Bewegung brachte. Polankis Justizdrama spielt im 19. Jahrhundert, und man fragt man sich, ob sich eigentlich grundlegend etwas geändert hat bis heute. Im Kern kaum, denn Vorverurteilungen, Falschheiten (Fake), Machtmissbrauch und Antisemitismus sind wieder an der Tagesordnung.


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Frankreich 2019  
132 Minuten

Regie: Roman Polanski
Buch: Roman Polanski mit Robert Harris
Kamera: Pawel Edelman

Darsteller: Jean Dujardin, Louis Garrel, Emmanuelle Seigner, Mathieu Amalric


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