(Im)mortels

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Eine Frau mit Einsicht und Weitblick: Greti Aebi geniesst das Leben und schert sich wenig über das Sein danach. Ihre Enkelin Lila Ribi (links) dokumentiert. (Filmbüro)



Viel mehr als nichts


Sie ist quasi die Hauptdarstellerin, Ausgangspunkt, aber nicht Endpunkt im Dokumentarfilm «(Im)mortels»: Greti Aebi, eine rüstige Seniorin, wohnt in ihrem Bauernhaus im Waadtland, naturverbunden und zufrieden. Sie war bereits 91 Jahre alt, als ihre Enkelin, die Lausannerin Lila Ribi die Kamera auf sie richtete und ihren Film begann, unterstützt vom Migros-Kulturprozent (mit 480'000 Franken). Man spürt es mit jedem Filmmeter: die Filmerin liebt ihre Grossmutter, die sie aufgezogen hat.

Die alte Frau und das Leben – Lila Ribi, im Tessin geboren, im Welschland aufgewachsen und heute 43 Jahre alt, wollte mehr als eine Hommage an Greti Aebi realisieren. Sie beschäftigte die Frage nach dem Danach, nach dem Sein nach dem Sein, also nach dem Tod. Ihre Grossmutter hatte mit dieser Frage in ihrem Leben abgeschlossen. Ihre stoische Meinung: «Da ist nichts». Das war der Enkelin nicht genug.

Sie begann das Thema quasi zu «studieren», las Bücher, Aufsätze, sprach mit Wissenschaftlern und Leuten mit Nahtod-Erfahrung. «Für mich ist das ein grosses Thema», erklärte Ribi im Gespräch. «Es wird mich immer beschäftigen und wohl nie beendet werden. Wahrscheinlich ist es ein Problem, das uns ein Leben lang beschäftigen wird – bis zu unserm Tod. Du kannst tiefer und tiefer gehen, aber es wird kein Ende geben.» Was kann der Film dazu beitragen: Ribi: «Mein Film kann das Interesse bei Leuten wecken, die vor dem Tod Angst haben. Leider ist es ja so, dass dies ein Tabuthema ist, obwohl wir doch so viel über unsere Sinne, Natur, unser Sein entdecken. Der Film könnte etwas in unseren Herzen bewegen. Das wäre für mich ein Erfolg.»

«(Im)mortels», der Film über Sterblich- und Unsterblichkeit, versucht verschiedene Aspekte, Seh- und Erfahrungsweise zu berühren, zu erfassen. Die Sportlerin Sandra Boegly hat bei der Geburt ihres ersten Kindes fast ihr eigenes Leben verloren und schildert ihre Nahtod-Erfahrung. Der Psychologe Erich Dudoit ist auch Sterbebegleiter und versteht sich als Menschenhelfer: «Wie ein Geburtshelfer – die einen helfen ins Leben, die anderen helfen aus dem Leben heraus.»
Christelle Dubois ist Bestatterin und arbeitet als Medium. Sie pflegt eine «innige» Beziehung zu Verstorbenen. Neurologe Steven Laureys versucht auf wissenschaftliche Weise, das menschliche Bewusstsein zu begreifen. Der ungarische Philosoph Ervin László begreift den Menschen als komplexes Netzwerk, beseelt von universeller Liebe. Alles ist miteinander verbunden und hinterlässt Spuren. Er glaubt, dass das Bewusstsein fortbesteht. 

Zentrale Figur ist Grossmutter Greti, die mit 103 Jahren stirbt. Lila Ribi hat sie begleitet und findet stille vielsagende Naturbilder, etwa mit einem Schwalbenschwarm, dem Greti nachschaut. Am Ende ziehen die Schwalben davon. Das Wunderbare: Lila Ribis Film über den Tod ist sehr lebensbejahend und ermutigend.


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Schweiz 2021  
89 Minuten

Buch, Regie, Kamera, Ton: Lila Ribi

Mitwirkende: Greti Aebi, Lukas Imbach, Eric Dudoit, Christelle Dubois, Sandra Boegly, Steven Laureys, Ervin László


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