Green Book

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Kein Herz und eine Seele: Türsteher Tony Lip (Viggo Mortensen), rassistisch angehaucht, nimmt einen Job beim schwarzen Pianisten Don Shirley (Mahershala Ali) als Chauffeur an, und chauffiert ihn durch die Südstaaten. Kein Zuckerschlecken Ende der Sechzigerjahre. (Ascot Elite)



Schwarz-weisse Mischung


Der deutsche Verleihtitel «Eine besondere Freundschaft» suggeriert, dass zwei gänzlich unterschiedliche Typen zueinanderfinden und sich verbrüdern. Der beliebte Zusatz «nach einer wahren Begebenheit» unterstreicht den (möglichen) Wahrheitsgehalt. Die grossartige Freundschaft und Verbrüderung des ungleichen Paares wird im Film veredelt und geschönt. Tatsächlich sollen Fahrer und Fahrgast laut Hinterbliebenen ein eher unterkühltes Verhältnis gehabt haben. Nun, diese filmische Erhöhung und Emotionalisierung tut dem Film «Green Book» keinen Abbruch. Der Titel bezieht sich übrigens auf die Anleitung «Negro Motorist Green Book», einem Ratgeber für Schwarze, wo sie in den Südstaaten einkehren und übernachten könnten.

Wir befinden uns Anfang der Sechzigerjahre (Kubakrise 1962, Ermordung Kennedys 1963, Vietnamkrieg seit 1964). Tony «Lip» Vallelonga (Viggo Mortensen) ist ein rauer Kerl, der als Türsteherin in der Bronx jobbt, aber wegen Umbaus des Clubs 1962 auf der Strasse steht. Er muss seine Familie durchbringen, doch dem Italoamerikaner mit rassistischer Tendenz ist sein neuer Arbeitgeber nicht geheuer: Der Pianist Dr. Don Shirley (Mahershala Ali) ist Afroamerikaner und wohnt über der Carnegie Hall. Der plant mit zwei Musikern, einem jüdischen Bassisten und einem russischen Cellisten, durch die Südstaaten zu touren und sucht einen Chauffeur. Lip, der ungehobelte Prolo, heuert an und versucht, dem intellektuellen, auch arroganten Klaviervirtuosen seine amerikanische Art nahezubringen – Fried Chicken, schwarze Rock- und Soulmusik à la Little Richard oder Aretha Franklin, von dem der distinguierte Jazz- und Klassikpianist offensichtlich keine Ahnung hat.

Kurzum, man kommt sich näher, man fasst Zutrauen und hilft sich – Lip auf seine handgreifliche robuste Art, Don auf seine gepflegte gebildete Weise, indem er beispielsweise seinem Chauffeur das wirkungsvolle Liebesbriefschreiben an seine FrauDolores (Linda Cardellini) beibringt beziehungswese diktiert. Manches wirkt etwas dick aufgetragen, manches trifft das Herz. Am Ende findet der Prolet mit Herz zu Ehrlichkeit und der einsame Upperclass-Musiker zum Volk, heisst Musikbar und Familie.

Peter Farrelly, eher für deftige Komödien wie «Dumb and Dumber – Dumm und Dümmer» bekannt, lädt zu einem Roadmovie, das locker Rassenschranken überwindet, das hohe Lied der Freundschaft und Familie singt. Nicht ohne Schmelz und Schalk. Wie gesagt, «Green Book» gaukelt uns eine versöhnliche Welt mit märchenhaftem Happy End vor. Der bebilderte Rassismus à la Sixties mündet im Menschlich-Allzumenschlichen. Schön wär's! Das passt ins Hollywood-Erfolgsrezept: So könnte das Buddy-Movie (Golden Globe 2019) zum Oscar-Abräumer werden – mit fünf Nominierungen (Bester Film, Bester Hauptdarsteller, Bester Nebendarsteller u.m.). Viggo Mortensen, der Aragon-Held aus der Saga «Lord oft he Rings», und Mahershala Ali («Moonlight», Gewinner Golden Globe 2019, Oscar-Anwärter) ist der Oscar-Gewinn sehr wohl zuzutrauen.


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USA 2018  
131 Minuten

Regie: Peter Farrelly
Drehbuch: Farrelly, Nick Vallelonga (Sohn Tony Lips), Brian Hayes Currie
Kamera: Yves Bélanger

Darsteller: Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini, Don Stark


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