Goodbye Julia

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Schuldgefühle: Die reiche Mona (EimanYousif) aus dem Nordsudan stellt die südsudanesische Witwe Julia (Siran Riak) ein. (Trigon-Film)



Versöhnen und verzeihen


Fahrlässig. Mona (Eiman Yousif) passt einen Moment nicht auf und fährt Daniel, einen Jungen auf der Strasse, an. Schreck lass nach! Die gut situierte Frau begeht Fahrerflucht. Daniels Vater hat den Vorfall beobachtet: Santino nimmt die Verfolgung auf dem Motorrad auf. Mona fühlt sich bedrängt, ruft ihren Mann Akram (Nazar Gomaa) um Hilfe und denunziert den Verfolger als Südsudaner. Akran wähnt seine Frau in Gefahr und erschiesst Santiano. Der Fall wird von der Polizei nicht weiter verfolgt und vertuscht. Der Tote verschwindet. Julia (Siran Riak) weiss nicht, wo ihr Mann geblieben ist. Keiner klärt sie auf.

Mona, die Unfallverursacherin, wird von Gewissensbissen geklagt, nimmt Kontakt mit Julia auf, ohne sich als «Täterin» zu erkennen zu geben. Sie nimmt die «Witwe» samt Sohn als Haushälterin bei sich auf und lässt ihren Mann im Ungewissen. Sie gewinnt das Vertrauen Julias, die beiden Frauen werden Freundinnen, aber … nach der altklugen Weisheit: «Alles kommt an den Tag» wird das Geheimnis der kinderlosen Frau, deren Eheverhältnis gespannt ist, offenbart und der Mutter Daniels.

In dieser scheinbar privaten Konstellation spiegeln sich gesellschaftliche und politische Spannungen und Verhältnisse wieder. Der Sudan, seit 1956 unabhängig und ursprünglich der grösste Staat Afrikas, spaltete sich. Der wohlhabende Norden dominierte die arabischen Menschen aus dem Süden. Der latente Rassismus führte zu einem klaren Verdikt: 99 Prozent der südsudanesischen, überwiegend christlichen Bevölkerung sprach sich 2011 für eine Trennung aus. «Damals wurde mir klar, dass auch ich irgendwie für diese Entscheidung verantwortlich war», bekannte der Filmer Kordofani, «denn während meines ganzen Lebens in Khartum kannte ich ausser einigen Hausangestellten niemanden aus dem Süden – als ob wir soziale Apartheid betrieben hätte.»

Sein Film reflektiert nicht nur gesellschaftliche Probleme vor 2011, sondern auch moralisch-ethische. Mona schwankt zwischen Schuld und Sühne, Neigung und Reue, Wahrheit und Lüge. Gesellschaftliche Konflikte infiltrieren persönliche Verhältnisse. Die traditionellen Rollen, besonders der Frauen, wurden infrage gestellt. Die kinderlose Araberin Mona hatte ihre Leidenschaft, den Gesang, auf Geheiss ihres Mannes aufgegeben. Sie gewinnt ein kleines Stück Freiheit zurück, und Julia wird ihren Weg gehen.

Kordofani verzichtete auf ein Happy End, bevorzugte ein bittersüsses Ende … die beiden Hauptdarstellerinnen überzeugen in jeder Phase: Eiman Yousif hat tatsächlich in Cafés gesungen, und Eiran Riak, einst Miss Südsudan, arbeitete als Model. «Goodbye Julia» war der erste Film aus dem Sudan, der in Cannes 2023 aufgeführt und für einen Oscar nominiert wurde.


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Sudan
120 Minuten

Buch und Regie: Mohamed Kordofani
Kamera: Pierre de Villiers

Ensemble: Eiman Yousif, Siran Riak, Nazar Gomaa, Ger Duany


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