Der Unschuldige

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Alte Liebe neu belebt:: Ruth (Judith Hofmann) trifft den Ex-Geliebten Andi (Thomas Schüpbach, Bild oben) wieder, just aus dem Knast entlassen, und verliert sich zwischen Wunsch, Wahn und Wirklichkeit. (Ascot Elite)



Ausbruch aus der Wirklichkeit


Man reibt sich verwundert die Augen: Ein Schweizer Film, dazu einer, der sich zwischen Wirklichkeit und Wahn verliert? Genau, der Basler Regisseur Simon Jaquemet («Chrieg») schildert, wie das Leben der Labor-Ärztin Ruth (Judith Hofmann) ins Wanken gerät. Sie, scheinbar glücklich verheiratet und Mutter zweier Töchter, wird von der Vergangenheit eingeholt. Beim Kramen in alten Schachteln kommt er ihr wieder in den und nicht mehr aus dem Sinn. Ihr Ex-Geliebter Andi alias Andreas (Thomas Schüpbach) sass zwanzig Jahre wegen Mordes, den er nie gestanden hat, im Gefängnis und wurde nun entlassen. Scheinbar sucht er die Nähe seiner früheren Geliebten – oder umgekehrt. Wunschbilder, Einbildung oder Wirklichkeit?

Ruth verliert zunehmend den Boden unter den Füssen, auch im Forschungslabor, in dem man die Kopftransplantation an Affen wagt. Eine gequälte Kreatur – wie Ruth, die ihrem Mann (Christian Kaiser) und der Glaubensgemeinde unheimlich wird. Der Ehemann sucht das Heil im Schoss der Freikirche, der sie angehören. Der Priester versucht, ihr den «Teufel» auszutreiben (nein nicht brachial wie dazumal 1973 beim «Exorzist»), und Ruth scheint sich gefangen… Doch dann entschliesst sie sich zu einem Befreiungsschlag – für den gequälten Affen und für sich.

Harsch und doch hautnah inszeniert Simon Jaquemet die Krise einer Frau in den Spätvierzigern, ihre Zweifel an sich, am Glauben und an den Menschen. Ist sie ein Opfer der Besessenheit, des Wahns, der Unruhe, des Gefangenseins? Wer ist «Der Unschuldige» – der Geliebte oder der Affe?
Der Zuschauer muss die Partikel selber zusammensetzen, sich selber ein Bild machen. Es gibt Andeutungen, keine verbindlichen Lösungen. Das ist zumindest phasenweise reizvoll. Und die Zürcher Schauspielerin Judith Hofmann, seit 2009 am Deutschen Theater Berlin tätig, war in zwei «Studer»-Fernsehfilmen und im Kinofilm «Rosie» (2013) zu sehen, bietet eine packende Performance. Das düstere, abgründige Psychodrama «Der Unschuldige» nervt leider auch durch seine aufdringliche bigotte Religiosität. Da wäre weniger mehr gewesen.


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Schweiz 2018
114 Minuten

Regie und Buch: Simon Jaquemet
Kamera: Gabriel Sandru

Darsteller: Judith Hofmann, Christian Kaiser, Thomas Schüpbach


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