Die sogenannte Heimat ist ihnen fremd geworden, sie sehnen sich nach der Schweiz: Vedat, der Drogendealer aus Zuchwil, Duran, der Kurde aus Solothurn (Bild unten), und Mustafa, der bereits vor 25 Jahren ausgewiesen wurde. (Prosa Film/Cineworx)
Sehnsüchte der Verbannten
Sie sind in der Schweiz gross geworden, haben hier gelebt und «gesündigt, heisst sie sind aus verschiedenen Gründen straffällig geworden. Diese drei türkischen Männer wurden ausgeschafft (welch schreckliches Wort!). Sie mussten die vertraute Umgebung, Familie und Freunde verlassen und blieben Fremde in der «heimatlichen» Fremde. Der Solothurner Jonas Schaffter hat sie begleitet.
Vedat kam mit seinen Eltern als Einjähriger in die Schweiz. Er ist im Solothurnischen gross geworden, wurde kokainsüchtig, dealte. Das Resultat: Ausweisung im Jahr 2014. Er lebt in Istanbul mit zwei anderen Ausgewiesenen in einer Schweizertürken-WG.
Der Kurde Duran, in Basel aufgewachsen, lebt ebenfalls in Istanbul. Ein Junkie, der mit Diebstählen seine Sucht finanzierte. Seit vier Jahren lebt er im Exil und hofft, zu seiner Familie, zu Frau und Sohn, in die Schweiz zurückzukehren.
Mustafa um die 50 Jahre alt musste die Schweiz vor 25 Jahren verlassen. Er lebt bescheiden mit Frau und Töchtern auf einem abgelegenen Bauernhof. Doch die Sehnsucht nach der Schweiz ist noch nicht gestorben.
Dieses Schweizer Gefühl verbindet die drei Männer, die der Fotograf und Filmemacher Jonas Schaffter begleitet, befragt und hinterfragt hat. Der Filmtitel «Arada» bedeutet im Türkischen dazwischen. Und so leben die Männer zwischen Gestern und Morgen, Warten und Hoffen. Sie alle haben mehr oder weniger Sehnsucht nach der Schweiz, der ältere Mustafa nur vage und fern, die andere konkret und konsequent. Man bemüht sich um eine Rückkehr, vor allem Duran, der getrennt von Frau und Sohn leben muss. Einmal sind sie bei ihm wegen eines Familienfestes zu Besuch, aber sonst nur Tristesse.
Filmer Jonas Schaffter war bereits mit seinem Dokumentarfilm «Offside Istanbul» über afrikanische Fussballer in der Türkei tätig. Kein unbekanntes Terrain also für ihn. In seinem etwas anderen Dokumentarfilm über Fremde, Ausländer und Ausgewiesene geht es nicht um Schuld, Recht, Ausweisung, politische Haltungen und Stimmungen, sondern um Menschen, die einen Teil ihres Lebens, ihre Vergangenheit verloren haben und die Schweiz auf ihre Weise idealisieren. Sie wissen, dass sie Unrecht getan, sich kriminell verhalten haben. Die Männer bereuen es zum Teil, hoffen auf eine Zukunft mit der Schweiz.
«Arada» ist ein starker Film über Verbannung, Verlust, Sehnsüchte und Identität – verständig, aber keineswegs beschönigend. Er bleibt nah bei den Protagonisten, überlässt es dem Zuschauer, mitzufühlen, sich zu distanzieren oder zu beurteilen. Vor allem will «Arada» Probleme beschreiben, von denen die meisten Schweizer keinen Schimmer haben.
Schweiz 2020
83 Minuten
Buch und Regie: Jonas Schaffter
Kamera: Simon Denzler
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