Aller Tage Abend

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Crash: Ein harmloser Zusammenstoss auf dem Land. Die älteren Wagenlenker Leopold (Uli Krohm) und Alex (Vilmar Bieri) lernen sich kennen und freunden sich an. (Xenixfilm)



Der Anfang vom Ende ein Neuanfang

 
Die Redensart heisst «Es ist noch nicht aller Tage Abend». Doch Filmer Felix Tissi verkürzt die Redewendung auf «Aller Tage Abend». Heisst das auch, dass er nach über 40 Jahre Filmschaffen Schluss macht? Ja, lautet seine Antwort. «Es ist mein letzter Film. Ich konzentriere mich aufs Schreiben. Mein Buch ‚Varias Tapas‘ kommt Ende Juni heraus. Es sind lauter Tapas, also Häppchen, fiktionale Kurzgeschichten von der Wiege bis zur Bahre.»
 
Aber vorher hat er uns eine Palette schrulliger Episoden und schalkhafter Begebenheiten zubereitet – aus anderem Blickwinkel eben. Sein Ansatz heisst: «Was ist das Gegenteil von dem, was man erwartet? Was wäre, wenn? Ich drehe die Welt sozusagen um.»

In acht Kapiteln erzählt Tissi von Menschen und Merkwürdigkeiten, von Freundschaften, Liebschaften und dem Tod. Und das geht so: Zwei ältere Herren, Leopold (Uli Krohm) und Alex (Vilmar Bieri), crashen mit ihren Autos– irgendwo auf dem Land. Kein Geschrei, keine Vorwürfe, keine Polizei Man stellt sich freundlich vor und lernt sich kennen. Steckt Absicht dahinter? Titel dieser kleinen Episode «Nice to Meet You».

Einen ähnlichen Vorfall hat Felix Tissi beobachtet. Der war der Grundstein seines jüngsten Films. Bei «Lebenslänglich» geht es um die Entlassung eines Häftlings (Bodo Krumwiede), der nicht so recht weiss, was er mit seiner Freiheit anfangen soll, bis er sich in eine Blumenverkäuferin (Julia Brendler) verliebt. Ein Senior will eigentlich Goldene Hochzeit feiern, doch regelmässige Schläge von seiner Frau bremsen seine Feierlust. Und dann ist da noch Johann (Hans Diehl), der betagte Arzt, der es zu gut mit seinen Patienten meint und zur Selbstheilung rät. Er macht auf diese Weise nicht nur den Tod (Marcus Schäfer), sondern auch die Totengräber (Jens Wachholz und Gottfried Breitfuss) arbeitslos: «Geht doch», so die Kapitelüberschrift.

«Nicht alles, was gewichtig ist, braucht auch schwer zu sein», findet Felix Tissi. Eine Erfahrung, ein Bild werden zur Idee, zum Film. Ein Jahr hat er an diesen Geschichten geschraubt. «Bei meinen Drehbüchern schreibe ich ganz ernsthaft am Unernst und nehme den Begriff ‘Spielfilm’ wörtlich: Ich spiele.» Das Thema Alter treibt ihn um. «Zwangsläufig, ich habe ja auch schon Patina angesetzt.» Sein Spielfilm ist von Schalk geprägt, amüsiert trotz ernsthafter Thematik. «Ja, vieles ist skurril. Ich mag Schabernack. Der Tod wird in diesem Film kaltgestellt, er wird überflüssig. Tissis Erklärung: «Natürlich kann man dem Tod in der Realität kein Schnippchen schlagen. Aber es ist ja die Kraft der Fiktion, sich so etwas auszudenken.»


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Schweiz 2022      
80 Minuten

Buch, Regie und Schnitt: Felix Tissi
Kamera: Simon Huber

Darsteller: Sandro Di Stefano, Hiltrud Hauschke, Uli Krohm, Vilma Bieri, Hans Diehl, Julia Brendler, Bodo Krumwiede, Marcus Schäfer
 

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