Alice Schwarzer

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Eloquent, herausfordernd und engagiert bis in die Haarspitzen: Alice Schwarzer, Erfinderin von «Emma», lässt auch mit 80 Jahren nicht locker.  (Frenetic Films)



Femme fatale des Feminismus


Sie hat den Feminismus in Deutschland geprägt wie keine andere und wichtigste Kämpferin in Sachen Emanzipation, Frauen- und Menschenrechte. Alice Schwarzer, 1942 in Wuppertal geboren und bei ihren Grosseltern aufgewachsen, ging 1963 nach Paris, arbeitete ab 1969 für das Magazin «Pardon», freundete sich 1970 mit Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre an. Die Pariser Jahre haben sie wesentlich geprägt. Sie wurde zur vielbeachteten, gehassten und respektierten Journalistin und Interviewerin der Siebzigerjahre – streitbar bis heute. 1977 gründete sie die Zeitschrift «Emma» als Verlegerin und Chefredaktorin.

Sabine Derflinger («Die Dohnal – Frauenministerin, Feministin, Visionärin», «Letzte Spur Berlin», TV-Krimireihe) hat ihr ein Filmporträt gewidmet: Huldigung an eine Ikone. Bezeichnenderweise beginnt der Film mit dem TV-Clinch 1975 zwischen Schwarzer und der Autorin Esther Vilar, die mit ihrem Buch «Der dressierte Mann» für reichlich Diskussionsstoff gesorgt hatte. Viele wichtige Auftritte, Interviews und Statements der Autorin, Journalistin, Streiterin im Fernsehen und in der Öffentlichkeit folgten. Wichtige Lebensstationen, Begegnungen und mediale Begebenheiten werden skizziert – etwa mit Peter Merseburger, Jenny Erpenbeck, Henri Nannen, Rudolf Augstein, Margarete Mitscherlich oder Jasmin Tabatabai. So entstand ein biographisches Panoptikum und Zeitzeugnis von Wuppertal über Paris bis Köln (Emma-Redaktion) mit Archivmaterial, Gesprächen und Originalton Schwarzer. Die breitgefächerte Dokumentation, gespickt mit Archivaufnahmen etwa mit dem erwähnten Vilar-Streitgespräch wird zur Hommage an die Frauenrechtlerin, die markant die Gesellschaftsgeschichte und Emanzipationsbewegung mitgeprägt und vorangetrieben hat.

Viele ihrer Aktionen, ihr Engagement für Schwangerschaftsabbruch oder gegen Kopftuchzwang in öffentlichen Institutionen, aber auch der Prozess des «Wetterfrosches» Jörg Kachelmann werden kurz beleuchtet. Andere Vorfälle wie Steuerhinterziehung und ihre Stellung gegenüber dem Islam oder Putin bleiben vage, werden höchstens erwähnt. Das Bildnis, das Sabine Derflinger mit ihrem Film (100, ursprünglich 136 Minuten lang) zeichnet, ist einseitig positiv geprägt. Die Nähe zur umstrittenen, streitbaren, aber auch prägenden Persönlichkeit Schwarzer wird zur reichen, bunten Palette, auch weil die Fülle eingestreuten und montierten Materials viele Perspektiven andeutet, akzentuiert, beiläufig dokumentiert, aber kaum vertieft.


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Schweiz 2022    
136 Minuten

Buch und Regie: Sabine Derflinger
Kamera:  Christine A. Maier, Isabelle Casez
 

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