Gemeinsam in der Einöde: Die Lehrer Nuray (Merve Dizdar), Samet (Deniz Celiloğlu) und Kenan (Musab Ekici, von links) versuchen, sich Halt zu geben. (Trigon-Film)
Auf verlorenem Posten
Im trostlosen Nirgendwo von Anatolien fristet ein Lehrer sein Dasein, wo es nur zwei Jahreszeiten gibt: Winter und Sommer. Samet (Deniz Celiloğlu) absolviert hier sein viertes, letztes Pflichtjahr. Bloss weg aus dieser Tristesse. Er sehnt sich nach Versetzung, macht trotzdem seinen Job mit Herz und gutem Willen. Besonders die aufgeweckte Schülerin Sevim (Ece Bağci) versucht er zu fördern. Doch das schwärmerische Mädchen versteht Samets Engagement falsch und wird von ihm abgewiesen, als sie mehr will. Aus Rache werden Samet und sein Kollege Kenan (Musab Ekici), sein engster Freund und Wohnpartner, sexueller Annäherung beschuldigt – anonym von Schülerinnen. Wie kann man sich da wehren? Samet ist verletzt, schottet sich ab, geht zu den Schülern auf Distanz.
Mit dem Wohnpartner Kenan hat er wenigstens einen Verbündeten und Seelenverwandten. Beide sind mit Nuray (Merve Dizdar) befreundet, einer Englischlehrerin, die in der nächsten Stadt unterrichtet. Die engagierte intelligente Pädagogin hat wohl infolge früherer politischer Aktivitäten ein Bein verloren. Beide Männer buhlen um Nuray, aber sie mag sich nicht eindeutig entscheiden. Hat diese Dreiecksbeziehung eine Zukunft?
Der türkische Filmautor und Regisseur Nuri Bilge Ceylan («Once Upon a Time in Anatolia») lotet in «About Dry Grasses» menschliche Beziehungen aus. Sein Sozialdrama, an einem abgelegenen Flecken lokalisiert, unterstreicht die Situation einer Isolation, Fremde und Hoffnungslosigkeit. Der Idealismus eines Lehrers zerbricht an menschlicher Boshaftigkeit und rüder Realität. Einmal fällt der Satz «Hoffnung macht müde» - ja, wenn sie wieder und wieder enttäuscht wird. Das trifft nicht selten auf die spezielle Situation Lehrer und Schüler zu, kann aber auch allgemein auf ein Staatsgefüge wie der Türkei gemünzt werden.
Ceylan umschreibt die Problematik wie folgt: «Wir haben versucht, den trockenen und faden Geschmack der Angelegenheiten zu vermitteln, die sich im Laufe der Pflichtdienste entwickelt haben, das unabänderliche Beharren des Schicksals des Lehrerberufs zwischen hohen und reinen Idealen und der brutalen Unbarmherzigkeit der Wirklichkeit.» Das sollte wohl auch der Filmtitel implizieren: Das Gras ist dürr geworden, ausgetrocknet, wie der Boden, auf dem Lehrer auf verlorenem Posten ausharren. Ein bildstarker und tiefsinniger Film, in dem Merve Dizdar als leidvolle, gleichwohl unverzagte Lehrerin Nuray ein Hoffnungszeichen setzt. Sie wurde in Cannes 2023 als beste Darstellerin ausgezeichnet.
Türkei 2023
197 Minuten
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Drehbuch: Akin Aksu, Ebru und Nuri Bilge Ceylan
Kamera: Cevahir Şahin, Kursat Üresir
Darsteller: Deniz Celiloğlu, Musab Ekici, Merve Dizdar, Ece Bağci
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