A Perfectly Normal Family

2020_11_19_A Perfectly Normal Family_005jpg

Thomas wird Agnete (Mikkel Boe Følsgaard). Die jüngste Tochter Emma (Kaya Toft Loholt) fühlt sich vom Vater betrogen. (Xenix Filmdistr.)



Unter anderen Umständen


Den Filmtitel kann man so (ironisch) oder so (idealistisch) lesen, auf den ersten Blick ist er jedenfalls irreführend. Normal an der Familie ist eigentlich nur, dass der Patron eine liebevolle Beziehung zu seiner Familie pflegt und auch unter anderen Umständen viel Familiensinn beweist. Eine scheinbar normale Familie Thomas (Mikkel Boe Følsgaard) und Helle (Neel Renholt) haben zwei Töchter, Emma (Kaya Toft Loholt) und Caroline (Rigmor Ranthe). Die elfjährige Emma, eine begeisterte Fussballerin, muss eines Tages aus heiterem Himmel erfahren, dass ihr Vater im Begriff ist, sich in eine Frau, in Agnete zu verwandeln. Die Familie ist gefordert, bricht aber nicht auseinander. Man bringt viel Verständnis dafür aus, dass Thomas sich im falschen Körper fühlt und konsequent seinen Transgender-Weg geht. Allein Emma hat Mühe, diese Veränderung zu akzeptieren, die neue Vater-Mutter-Situation anzunehmen. Sie fühlt sich betrogen, zickt und gibt sich widerspenstig, während Schwester Caroline und die Mutter sich allmählich mit den neuen Verhältnissen arrangieren. Man nimmt teil, integriert Agnete soweit es geht.

Weitgehend aus der Perspektive des jungen Mädchens beschreibt die Dänin Malou Reymann Veränderungen und Entwicklung einer Familie, speziell die Beziehung zwischen Thomas/Agnete und Emma – sehr subtil, sensibel und einsichtig. Dass dabei der Humor nicht zu kurz kommt, ist ebenso wohltuend wie der positive familiäre Grundton. Thomas/Agnete, überzeugend verkörpert durch den dänischen Schauspieler Mikkel Boe Følsgaard, hält an der Familie fest – auch unter anderen Umständen.

Kein Wunder wirkt dieser Trans-Mensch sehr sympathisch und glaubhaft, diente doch der Vater der Filmerin quasi als Vorbild. So trägt der Spielfilm, gespickt mit Aufnahmen aus der Kindheit Reymanns, starke biografische Züge. Reymanns Vater ist selber Transgender. «Ich interessiere mich sehr für Normen, und wie man sie bricht», erzählt Malou Reymann in einem Interview. «In jeder von uns bekannten Gesellschaft gibt es jemanden, der als anders wahrgenommen wird. Das, was man für normal hält, sagt viel darüber aus, wer wir sind, und mich interessiert dieser Zusammenstoss … Wir alle versuchen, in einem gewissen Ausmass normal zu sein, vor allem wenn wir jung sind. Doch dann fragen wir uns, wer wir wirklich sind, und begeben uns schliesslich auf unsere Reise. In diesem Film geht um Emmas Reise, doch auch um die Reise ihres Vaters Agnete, denn beide müssen akzeptieren, dass sie nicht mehr sowie alle anderen, sondern eben sie selber sind.» Eben kein normaler Film von der Stange, sondern einer mit Sympathie, Verständnis und Herzblut.


4_Star_Lionjpg

Dänemark 2020
93 Minuten

Buch und Regie: Malou Reymann
Kamera: Sverre Sørdal

Darsteller: Kaya Toft Loholt, Mikkel Boe Fø lsgaard, Rigmor Ranthe, Neel Rønholt


Zurück