Coronabedingt waren die letzten Filmfestivals für deutschsprachige Filme in Saarbrücken eingeschränkt, quasi amputiert. Die 44. Ausgabe im Namen Max Ophüls war quantitativ (Zuschauer) und qualitativ (Filme) ein Erfolg. Der Schweizer Film «Für immer Sonntag» von Steven Vit wurde mit dem Publikumspreis (5000 Euro) ausgezeichnet. Im Januar steht die saarländische Hauptstadt Saarbrücken im Zeichen des Films. Wie sehr die Stadt vom Filmfestival Max Ophüls beseelt ist, zeigte das grosse Publikumsinteresse. Sieben Kinos mit zwölf Sälen standen zur Verfügung. 126 Filme wurden aufgeführt, rund 800 eingereicht. Manche Vorstellungen waren ausverkauft.
Max Oppenheimer, 1902 in Saarbrücken geboren, hätte seine helle Freude gehabt. Er, der Namensgeber, arbeitete seit 1920 unter dem Pseudonym Max Ophüls als Theaterschauspieler und Regisseur. Er emigrierte 1933 nach Frankreich, 1941 in die USA. Zu seinen bekanntesten Filmwerken zählen «Der Reigen» (1950) und «Lola Montez» (1955).
Die Schlussgala mit zahlreichen (18) Preisverleihungen zeigte nochmals die saarländische Begeisterung fürs Kino. Es wurde gejubelt, geherzt, gedankt und natürlich gefeiert. Sie alle, die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, die Ministerin für Bildung und Kultur Christine Streichert-Clivot, Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt und die rund 1100 Gäste waren vom Festival begeistert. Die Treue, Neugierde und Offenheit der Zuschauer hob Festivalleiterin Svenja Böttger hervor und blickte voraus: «Wir hoffen, dass die Filmschaffenden hier in Saarbrücken positive Rückmeldungen, Wertschätzung für ihre harte Arbeit, Erfahrungen und Motivation für neue Projekte empfangen können.»
Das Festival, das sich dem Nachwuchsfilm verschrieben hat, war mit 126 Dokumentar- und Spielfilmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sehr gut bestückt. 18 Preise – 14 Jury- und vier Publikumspreise – wurden vergeben, dotiert mit insgesamt 118 500 Euro.
Bei dem breitgefächerten Angebot schälten sich folgende Themenschwerpunkte heraus: Konflikte zwischen Mutter und Tochter, Vater und Sohn, wobei in manchen Filmfällen der Vater abwesend war; Sozialkonflikte (Rassismus, Vorurteile) sowie gesellschaftliche und familiäre Auseinandersetzungen und Herausforderungen.
Rudy Vit war ein Arbeitstier, ständig unterwegs vom Berner Oberland nach Asien oder Kanada. Und dann kam der Zeitpunkt der Pensionierung. Wie geht man mit dem Ruhestand um, wie entwickelt sich das Familienleben? Steven Vit hat seinen Vater drei Jahre lang begleitet – von Shanghai über Thun bis Kanada, der «Heimat» des pensionierten Rudy Vit. Es ist nicht leicht: «Für immer Sonntag». Dieser sehr persönliche Film erhielt in Saarbrücken den Publikumspreis Dokumentarfilm (5000 Euro).
Den Hauptpreis (7500 Euro) erhielt der österreichische Beitrag «Good Life Deal». Die Wienerin Samira Ghahremani begleitete den Frührentner Gerhard, der alle Brücken hinter sich abbricht und auf ein neues Leben mit Amy in Thailand hofft. Doch seine Hoffnung (Investition) geht nicht auf. Eine fatale Fehleinschätzung – unaufgeregt und etwas langatmig dokumentiert.
Von anderem Kaliber ist die Dokumentation «Independence» des Deutschen Felix Meyer-Christian. Der Essay-Film geht diversen Unabhängigkeitsbewegungen und -begehren nach – von Mosambik über Südsudan bis Grossbritannien (Brexit). Dass dabei auch Katalonien und Bayern zu «Ehren» kommen, wirkt künstlich angefügt. Es ist auch die Geschichte der afrodeutschen Schauspielerin Helen Wendt aus Berlin, die ihren Wurzeln nachgeht, und ein Film über Rassismus, Zugehörigkeit und Identität. «Indem er Unabhängigkeit auf drei Ebenen, der persönlichen, der politischen und der symbolischen auf der Theaterbühne durchspielt, entwickelt der Film einen ungeheuren Sog und wirkt dadurch unangestrengt und unmittelbar», lobte die Kritikerjury und verlieh den Preis für den besten Dokumentarfilm. Ausserdem erhielt er den Preis für beste Musik in einem Dokumentarfilm (5000 Euro).
Eine Paddeltour in Mecklenburg-Vorpommern. Kerstin (Christina Grosse) erkundet scheints ziellos Flüsse und Seen. Ihr schliesst sich Alima (Pegah Ferydoni) an. Kerstin wird von ihrem Bruder und dessen Frau und Sohn verfolgt. Ein Erbstreit offensichtlich. «Alaska» ist ein ungewöhnlicher Spielfilm von Max Gleschinski, der mit Alaska wenig, aber viel mit Suche und Findung zu tun hat. Eine Reise mit vielen Wendungen, magischen Momenten und einem etwas harschen, ruppigen Schluss. «Alaska» erhielt den Hauptpreis Bester Spielfilm, dotiert mit 36 000 Euro.
Ein weiterer österreichische Film kam in die Preisränge. Der Spielfilm «Eismayer» erhielt den Publikumspreis (5000 Euro). David Wagner beschreibt sensibel und schlüssig ein Beziehungsdrama zwischen zwei Männern, dem Vize-Leutnant und Schleifer Eismayer sowie dem Rekruten mit bosnischen Wurzeln, Mario Falak. Die Filmkritikerjury würdigte «Eismayer» als besten Spielfilm: «Die Liebe zwischen diesen beiden Männern hat es im österreichischen Bundesheer tatsächlich gegeben. Es ist nicht immer eine Erfolgsgarantie, auf eine wahre Begebenheit zurückzugreifen. Hier ist es wunderbar nachvollziehbar und filmisch präzise umgesetzt worden.» Regisseur Wagner und die Schauspieler Gerhard Liebmann (Ausbilder) und Luka Dimić (Rekrut) freuten sich riesig und fielen sich um den Hals.
Der Preis der saarländischen Ministerpräsidentin «Beste Regie» ging an Lukas Nathrath und seinen Film «Letzter Abend». Ein entlarvendes Kammerspiel, wo sich Partner, Freunde und unangemeldete Gäste fetzen. Die Low-Budget-Produktion (für 4000 Euro) konnte nun 11 000 Euro einheimsen. Respekt für dieses wilde Konflikt-Chaos.
Mit dem diesjährigen Fritz-Raff-Drehbuchpreis (13 000 Euro) wurde das österreichische Beziehungsdrama «Breaking the Ice» von Clara Stern ausgezeichnet. Hier fetzen sich Eishockeyspielerinnen der Liebe wegen. Eisnah und emotional. Das überzeugte auch die Jugendjury, sie zeichnete den packenden Film ebenfalls aus (2500 Euro), hinzu kam der Preis für den gesellschaftlich relevanten Film (5000 Euro).
Die Schweizer Beiträge «Reduit» von Leon Schwitter, «Semret» von Caterina Mona und «Becoming Giulia» von Laura Kaehr kamen nicht in die Preisränge. Gleichwohl war Saarbrücken ein gutes Pflaster für den deutschsprachigen Film. Manche Filmschaffenden fanden Bestätigung, Belobigungen, stets Aufmerksamkeit und Zuneigung. Am Ende feierte eine grosse Familie von Filmschaffenden und Filmbegeisterten die Befreiung von Pandemiezwängen und ein vielseitiges Programm, das sich sehen lassen konnte.
Weitere Informationen: ffmop.deZurückVeröffentlicht Februar 2023