The Two Popes

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Der liebe Gott schaut beim Disput auf höchster Höhe zu: Der bayrische Papst Ratzinger alias Benedikt XVI. (Anthony Hopkins) will den Argentinier Jorge Mario Bergoglio (Jonathan Pryce) zu seinem Nachfolger machen. (netflix)


Himmlische Dispute und Fussball


Clinch unter Kirchfürsten: Der bayrische Pontifex Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI. will den Argentinier Jorge Mario Berogolio zum Papstnachfolger machen. So geschah es 2013. Anthony McCarten hat recherchiert, Fernando Meirelles den «himmlischen» Stoff verfilmt…
Nach «Roma» im Jahr 2018, «The Irishman» und «Marriage Story» 2019 startet nun die Netflix-Produktion «The Two Popes» in den Kinos – nach dem Online-Start! Warum fragt man sich? Ist es dem Kinopublikum egal, hofft man auf Propaganda? Man weiss es nicht so recht. Alle spielen freilich nicht mit. Basler Kinobetreiber wollen «The Two Popes» nicht aufführen. Dabei hat auch dieser Netflix-Film zweifellos Kinoqualität.

Es geht wie erwähnt um die zwei aktuellen Kirchenväter, den Bayern Kardinal Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI. und den Argentinier Jorge Mario Bergoglio alias Papst Franziskus. Der Südamerikaner war 2005 ärgster Kontrahent bei der Wahl des bayrischen Papst-Kandidaten. Ratzinger wurde zu Benedikt XIV. gekrönt. Der argentinische Kardinal zieht sich in sein Heimatland zurück. Frustriert will er sein Amt 2012 niederlegen und bittet beim Papst Benedikt XVI. um Audienz. Doch der verweigert dem Südamerikaner die Demissionierung, im Gegenteil: Er, der konservative Pontifex, will ihn, den Fortschrittlichen, zu seinem Nachfolger machen. Er plant seinen vorzeitigen Rücktritt 2013, ein (fast) einmaliger Vorgang in der Kirchengeschichte.

Wie auch immer sich die Kirchenoberhäupter ausgetauscht haben, welche Gespräche sie genau geführt haben, welche Überlegungen und Motive dahinter stecken – der Neuseeländer Anthony McCarten ist ihnen nachgegangen, hat recherchiert, die Dispute nachempfunden und niedergeschrieben. «Diese Buch erzählt die Geschichte zweier Päpste», so der Autor McCarten, «die beide eine ungeheure und unveräusserliche Autorität besitzen: ein seltsames Paar, dessen Schicksale zusammentrafen und die sich gegenseitig zutiefst beeinflussten.»

McCartens sachkundige und einleuchtende Nacherzählung «Die zwei Päpste. Franziskus und Benedikt und die Entscheidung, die alles veränderte» (Diogenes Verlag 2019) schildert die Vorgänge nahezu akribisch – vom Konklave im April 2005 bis zum Alltag Benedikts im Jahre 2018. Er sei in der Seele friedlich, im Herzen glücklich, heisst es. Er ist auf einem Augen blind und indes 92 Jahre alt.
McCartens Anmerkungen und Quellenangaben umfassen über 40 von rund 400 Seiten. Eine spannende und informative Lektüre. Der Autor, 1961 in New Plymouth, Neuseeland geboren, lieferte auch das Drehbuch zum Spielfilm «The Two Popes». Und dabei passiert etwas Merkwürdiges: Man kann sich mit diesen beiden «Heiligen Vätern »anfreunden, ihre Überlegungen, Diskussionen und Absichten nachvollziehen. Die Schauspieler werden so zu überzeugenden Papst-Stellvertretern im Kino. Anthony Hopkins verkörpert Benedikt und Jonathan Pryce den zurückgetretenen Franziskus. Phänomenal.

Dabei kommt es nicht auf eventuelle Ähnlichkeiten, sondern auf Geist und Habitus an. Hier der Krimianhänger Benedikt von «Kommissar Rex», dort der Fussballfan (Bergoglio/Franziskus). Zu den Höhepunkten zählt die Begegnung in der Sixtinischen Kapelle (die für den Film in sechs Wochen nachgemalt wurde, so Autor McCarten). Auch wenn gewisse dringliche Themen wie Stellung der Frauen in der Kirche, Geburtenkontrolle und Schwangerschaft oder Kindermissbrauch nur vage angesprochen wurden, bringt der Film zwei gänzlich unterschiedliche Kirchenmänner nah – dazu ein fesselndes Gesellschafts- und Zeitbild.


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USA/GB 2019
126 Minuten

Regie: Fernando Meirelles
Buch: Anthony McCarten
Kamera: César Charione

Darsteller: Jonathan Pryce, Anthony Hopkins, Sidney Cole, Federico Torre und Fabricio Martin als Schweizergardist


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